Bern kürzt Sozialhilfe um 8 Prozent
Kommt jetzt der Sozialhilfe-Kahlschlag?

Der Senkung der Sozialhilfe im Kanton Bern sorgt für rote Köpfe bei Sozialpolitikern. Die rote Karte – sprich Sanktionen – gibts von nationaler Ebene aber nicht.
Publiziert: 08.12.2017 um 16:36 Uhr
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Aktualisiert: 13.09.2018 um 01:25 Uhr
Der Berner Gesundheits- und Fürsorgedirektor Pierre Alain Schnegg konnte am Dienstag an der Grossratssitzung im Berner Rathaus einen wichtigen Erfolg für sich verbuchen. Der SVP-Regierungsrat erreichte, dass in seinem Kanton die Sozialhilfe gekürzt wird.
Foto: ANTHONY ANEX/KEYSTONE
Andrea Willimann

Ein eisiger Gegenwind traf diese Woche Berner Sozialhilfe-Bezüger. Der  Grosse Rat des Kantons kürzte die Sozialhilfe deutlich unter die schweizerisch geltenden Richtlinien. Der Grundbedarf der Berner Sozialhilfebezüger ist künftig um 8 Prozent tiefer angesetzt. 

Die Ansätze wurden Anfang Jahr bereits national gekürzt

Damit hält der Kanton Bern hält jetzt den Negativ-Rekord bei den Sozialhilfeansätzen. Dass das Beispiel Schule machen könnte, ist jedoch selbst in vermeintlichen Hardliner-Kantonen wie Luzern kurzfristig nicht zu befürchten. «Eine grundsätzliche Senkung des Sozialhilfeniveaus ist im Kanton Luzern aktuell kein Thema, aber wir beachten die Aktivitäten anderer Kantone», sagt der Luzerner Sozialdirektor Guido Graf (CVP, 59) zu BLICK.

Guido Graf (CVP, 59).
Foto: Sabine Wunderlin

Guido Graf befürchtet auch nicht, dass nun mehr sozialbedürftige Berner in den Kanton Luzern einwandern, obschon er die Situation «sehr genau» verfolgen will.

Senkung könne zu mehr Kriminalität führen

Graf kritisiert den Berner Entscheid: Eine massive Senkung des Grundbedarfs erschwere die gesellschaftliche und berufliche Integration der armen Bevölkerungsschicht. Dies könne zu zunehmend prekären Lebenssituationen und steigender Kriminalität führen.

Anfangs Jahr hatte Graf die Pläne des zuständigen Berner SVP-Regierungsrats Pierre Alain Schnegg (55) noch begrüsst. Schnegg hatte damals angekündigt, die Sozialhilfe massiv zu senken. Dies sorgt national für Aufregung, weil sich die Schweizerische Sozialhilfe-Konferenz (Skos) der Kantone und Gemeinden per 1. Januar 2017 bereits auf Kürzungen und weitere Verschärfungen geeinigt hat.

Der Kanton Bern fördere einen negativen Sozialhilfe-Tourismus, befürchteten linke Politiker. Rechte Politiker wiederum warnten vor Sozialnomaden, die in Kantone mit besserer Sozialhilfe ausweichen würden.

Die Skos hat auch jetzt keine Freude am Berner Entscheid. Er treffe die falschen, vor allem Kinder und Jugendliche sowie gesundheitlich Geschwächte, sagt Skos-Geschäftsführer Markus Kaufmann. «Wir arbeiten weiterhin mit unseren Mitgliedern – zu denen der Kanton Bern gehört – an einer Harmonisierung der Sozialhilfe in der Schweiz.»

Bundespolitik wollte schon mehrfach ein Mitspracherecht

Gezwungen an einen nationalen Konsens muss sich aber kein Kanton und keine Gemeinde fühlen. Die Festsetzung Sozialhilfe liegt verfassungsrechtlich in ihrer Kompetenz. «Die Forderung, dass der Bund mit einem nationalen Rahmengesetz ein Weisungsrecht erhält,  ist eine uralte, die bisher leider keine Mehrheit fand», beklagt SP-Nationalrätin Silvia Schenker (63).

Die Baslerin hat im Parlament etliche Diskussionen zu diesem Thema mitverfolgt. «Dass die Kantone jetzt ihren Spielraum nach unten ausloten, beunruhigt mich.»

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