Es ist ein ungewohntes Bild, das Johann Schneider-Ammann am Freitag twitterte: Umringt von fast 20 Frauen sitzt er als einziger Mann an einem grossen Konferenztisch. Der Wirtschaftsminister diskutierte mit Unternehmerinnen über die Digitalisierung, Bildung sowie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
In grossen, börsenkotierten Schweizer Aktiengesellschaften dürfte es noch lange dauern, bis in der Chefetage auch nur annähernd so viele Frauen sitzen. Wahrscheinlich wird es gar nie so aussehen. Denn der Bundesrat ist nicht gewillt, die Unternehmen betreffend Frauenquote unter Druck zu setzen.
In Geschäftsleitungen sollen mindestens 20 Prozent Frauen sitzen
In dieser Woche wird in der Rechtskommission des Nationalrats der Entwurf der Aktienrechtsrevision diskutiert. Dabei geht es auch um die Einführungeiner Frauenquote. Der Bundesrat schlägt für die Verwaltungsräte von Grosskonzernen eine Frauenquote von 30 Prozent vor. In Geschäftsleitungen sollen in Zukunft mindestens 20 Prozent Frauen sitzen.
Allerdings: So richtig in die Pflicht genommen werden die rund 200 Schweizer Aktiengesellschaften, die von der neuen Regelung betroffen wären, nicht. Wenn die Unternehmen die Frauenquoten nicht erfüllen, müssen sie lediglich begründen, wieso sie die Vorgaben nicht erreicht haben – und was sie in Zukunft tun, um dies zu ändern. Sanktionen drohen keine.
In anderen europäischen Ländern werden die Grosskonzerne von der Politik deutlich stärker unter Druck gesetzt. Dies zeigt eine Analyse des Schweizerischen Instituts für Rechtsvergleichung. Mit Ausnahme von Liechtenstein bestehen in allen Nachbarländern der Schweiz zwingende Quotenregelungen für Verwaltungsräte und Geschäftsleitungen: In Italien müssen die Unternehmen mit Geldstrafen rechnen, wenn in Aufsichts- und Verwaltungsräten weniger als 30 Prozent Frauen sitzen. In Frankreich sind sogar 40 Prozent Frauen gefordert. Wird diese Quote nicht erfüllt, gelten die Wahlen als nichtig und die Ausschüttung von Vergütungen wird verboten.
Am striktesten sind die Geschlechterregeln in Norwegen
In Deutschland wiederum muss ein Teil der Sitze unbesetzt bleiben, wenn nicht mindestens 30 Prozent Frauen in den Aufsichtsrat gewählt werden.
Auch in Österreich gilt ab 2018 eine Frauenquote. Dort ist die Wahl des Aufsichtsrats in Zukunft nichtig, wenn das weibliche Geschlecht nicht zu mindestens 30 Prozent vertreten ist.
Am striktesten sind die Geschlechterregeln aber in Norwegen. Dort droht im Extremfall sogar die Zwangsdekotierung von der Börse, wenn die geforderte Frauenquote von 40 Prozent nicht erreicht wird.
Einzig in Holland ähnelt die Quotenregelung dem Vorschlag des Bundesrats. Die Unternehmen müssen bei Nichterfüllung ebenfalls nicht mit Konsequenzen rechnen. Noch einfacher haben es bloss britische Firmen: Sie dürfen sich ihre Ziele betreffend Frauenquote gleich selbst setzen.
Es gibt Grund zur Hoffnung
Übrigens: Im internationalen Vergleich sitzen in der Schweiz heute noch wenige Frauen in Geschäftsleitungen. 2016 hat die amerikanische Denkfabrik Peterson Institute for International Economics 59 Länder betreffend Frauenquote unter die Lupe genommen. Das ernüchternde Ergebnis: Nur drei Länder kamen auf tiefere Werte als die Schweiz. Dennoch gibt es Grund zur Hoffnung. Gemäss dem jüngsten Schillingreport, der seit zwölf Jahren die Geschlechterdurchmischung der Schweizer Wirtschaft untersucht, gelingt es den hiesigen Unternehmen mittlerweile besser, Vakanzen in ihren Geschäftsleitungen mit Frauen zu besetzen. Im vergangenen Jahr hat der Frauenanteil in den Geschäftsleitungen der 100 grössten Schweizer Arbeitgeber von sechs auf acht Prozent zugenommen. Von allen Neuzugängen in den Geschäftsleitungen seien gar 21 Prozent weiblich gewesen. Damit wäre die geforderte Frauenquote des Bundesrats zumindest in diesem Bereich bereits erfüllt.