Wolfgang Tillmans kommt in die Schweiz
«Mein erstes Kunsterlebnis hatte ich in Zürich»

Auf den ersten Blick wirken manche seiner Fotografien fast banal. Doch Wolfgang Tillmans (49) gilt als der populärste deutsche Künstler dieser Generation. Seine Arbeiten erzielen Höchstpreise.
Publiziert: 28.05.2017 um 10:27 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 14:00 Uhr
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«Sendeschluss» ist eines der Tillmans-Werke in der grossen Sommerausstellung bei der Fondation Beyeler.
Foto: Stefan Bohrer
Interview: Katja Richard; Fotos: Stefan Bohrer

Letzte Woche wurde ein Exemplar Ihrer «Freischwimmer»-Serie für 660'000 Franken verkauft. Was ist das für ein Gefühl?
Wolfgang Tillmans: Eigentlich verfolge ich die Resultate von Auktionen nicht. Aber es ist mir nicht entgangen, dass es bei den Preisen in den letzten Jahren nochmals einen Sprung gegeben hat.

Was bedeutet Ihnen Geld?
Geld war nie der Beweggrund, etwas zu tun oder nicht zu tun. Aber ich bin mir bewusst, dass ohne Geld vieles nichts ist. Es wäre unrealistisch oder arrogant zu sagen, Geld sei unwichtig.

Wie viel bekamen Sie für Ihr erstes Kunstwerk?
400 Deutsche Mark, das Bild aus den Neunzigern heisst «Alex and Lutz Looking at Crotch». Da schaut ein junger Mann einer jungen Frau neugierig in den Schritt, es ist eine Begegnung der Geschlechter – mit angstfreiem Blick auf die Körperlichkeit. Die deutsche Künstlerin Isa Genzken hat es gekauft. Ihr gefiel es, weil man, wie sie mir erklärte, die Dinge in der Kunst auf die Spitze treiben müsse. Das war damals eine grosse Bestätigung.

Sie werden als Wunderkind bezeichnet. Fühlen Sie sich noch immer als Kind?
Die Neugier im Blick und das Interesse, die Welt im Kopf zu verwandeln, und dies dann abzubilden – darin liegt ein kindlicher Reiz. Ich hoffe, dass ich dieses Spielerische nie verlieren werde. Aber auf der anderen Seite ist nicht alles wie ein Wunder vom Himmel gefallen. Da kommt auch viel Nachdenken und Arbeiten hinzu.

Was schätzen Sie an Ihrem Beruf?
Das tolle an Kunst ist, dass ich keine alltäglichen Strukturen habe. Aber man weiss auch nie, was morgen ist. Entweder gibt es zu wenig Interesse oder es gibt zu viel. Daran leiden viele Künstler.

Bei Ihnen ist das Interesse gross …
Wenn zu viele etwas von einem wollen, kann das auch belastend sein. Je höher man steigt, desto höher wird die Falltiefe. Die Erwartungen steigen, leichter wird es nicht. Jetzt, kurz bevor ich fünfzig werde, bin ich ruhiger geworden. Für die Beyeler-Ausstellung habe ich Bilder aus 30 Jahren komplett installiert. Was dabei entsteht, ist kein Zufall, sondern über die Jahre gelernt. Jeder Tag ist ein Neuanfang, aber das Schöne am Altern ist, dass eine gewisse Sicherheit dazukommt.

Wann haben Sie begonnen, sich als Künstler wahrzunehmen?
Es war ein Riesenglück, dass ich als Kind oder in meiner Jugend nicht als talentiert aufgefallen bin. Darum konnte ich mich frei entfalten. Als Teenager interessierte ich mich gleichermassen für die sogenannte hohe Kunst wie für Elektromusik und Zeitschriften. Mein erstes Kunsterlebnis hatte ich in Zürich, als ich die Chagall-Fenster im Fraumünster gesehen habe. Ich fühlte, dass mich Kunst berührt und dass ich mit Kunst zu tun haben will.

Wir leben in Zeiten einer riesigen Bilderflut. Wie beeinflusst Sie das?
Auf Facebook bin ich nicht, aber Instagram habe ich als Medium entdeckt. Obwohl es Tausende und Millionen von Bildern gibt, schadet mir das nicht. Meine Bilder bleiben offensichtlich für andere erkennbar und einmalig. Das ist nicht selbstverständlich.

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