Rolf Knie fürchtet sich nicht vor dem Tod, er hat nur Angst vor dem Sterben
«Meine Beerdigung wird lustig!»

Der Kunstmaler glaubt nicht an ein Leben in der Hölle oder im Paradies. Für den Ex-Clown zählt einzig das Leben vor dem Tod.
Publiziert: 21.10.2017 um 23:39 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 00:42 Uhr
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Rolf Knie: «Jeder muss selber wissen, ob er würdevoll oder auf Raten sterben will»
Foto: Joseph Khakshouri
Interview: Christian Maurer

SonntagsBlick: Viele fliehen im Winter aus der Schweiz. Sie aber leben den Sommer über auf Mallorca und kommen im Winter hierher. Warum?
Rolf Knie: Ich mache ja nicht Ferien auf Mallorca! Dort ist meine Klause. Ich kenne praktisch nichts von der Insel, weil ich eigentlich nur vom Flughafen nach Hause fahre und umgekehrt.

Wie sieht so ein Arbeitstag aus?
Eigentlich ganz langweilig. Keine Action ...

Ohne Action – wirklich?!
Nein, natürlich nicht! Für mich ist das extrem spannend, wenn ich neue Sachen und Wege ausprobiere und nie weiss, was gelingen wird und was nicht. Während sich meine Galeristen fragen, ob sich das Neue verkaufen lässt.

Und, was sagen Sie Ihnen?
Ob es sich verkauft oder nicht: Ich muss meinen Weg gehen. Ich habe auch schon Sachen gemacht, die nicht so gut angekommen sind.

Was war das?
Als ich ganz frisch nach Mallorca kam, habe ich viele Stierkampfszenen gemalt, weil mich das Thema beschäftigte. In der Schweiz habe ich deswegen Morddrohungen erhalten!

Sind Stierkämpfe für Sie akzeptabel?
Ich bin weder dafür noch dagegen. Es ist nicht an uns, über eine Tradition in Spanien zu befinden, solange wir bei der Tierhaltung in unserer Nahrungsmittelindustrie nicht besser sind. Ich wäre zwar dafür, dass man – wie in Frankreich und Portugal – den Stier am Schluss nicht tötet. Aber die paar Kampfstiere haben es immer noch viel besser als Mil­lionen von Nutztieren auf der ganzen Welt. Wenn ich vor Gott stehen und der mich fragen würde, ob ich lieber ein Nutzstier oder ein Kampfstier sein möchte, wäre für mich die Antwort klar: Lieber ein Leben als Kampfstier haben, stolz und respektiert sterben, als kein Leben haben und trotzdem sterben.

Sie sind mit 68 Jahren doch noch weit weg vom Tod.
Das weiss man nicht (lacht).

Statistisch gesehen bleiben Ihnen so gegen 20 Jahre.
Ausnahmen kann es immer geben.

Haben Sie für Ihren Tod vorgesorgt?
Ja klar, ich habe meine Beerdigung schon organisiert. Die wird lustig! Ich werde mich im Fami­liengrab neben meinem Vater beisetzen lassen. Alles Weitere werden Sie dann sehen. Und – ich bin Mitglied von Exit.

Schon lange?
Etwa seit 30 Jahren. Ich gehöre zu den ganz frühen Exit-Mitgliedern.

Sie machen diesen Herbst Werbung für die Sterbehilfeorganisation. Warum?
Weil ich glaube, dass Menschen wie ich ein Sprachrohr für das Anliegen von Exit sein und anderen Menschen Mut machen können, einen Schritt zu tun, den sie sich – aus welchen Gründen auch immer – allein nicht zu tun trauen.

Ist der Entscheid darüber, ob man Sterbehilfe in Anspruch nehmen will, nicht höchst privat?
Doch. Ich würde niemals jemanden nach seiner Exit-Mitgliedschaft fragen. Jeder Mensch muss selber wissen, ob er oder sie würdevoll sterben will oder mit ärztlicher Hilfe auf Raten.

Wie stellen Sie sich den idealen Tod vor?
Jetzt umfallen und tot sein (lacht)! Ernsthaft: Der ideale Tod kommt für mich überraschend. Auch wenn das vielleicht ein Schock für die Angehörigen ist. Ich glaube, man muss sich schon sehr früh mit dem Tod befassen. Dann hat man auch keine Angst davor.

Sie haben also keine Angst vor dem Tod?
Nein, überhaupt nicht. Ich habe Angst vor dem Sterben.

Wo liegt für Sie der Unterschied?
Der Tod ist unausweichlich. Aber es gibt verschiedene Arten von Sterben. Mit oder ohne Leiden.

Wann ist für Sie der Punkt erreicht, an dem Sie nicht mehr leiden wollen?
Wenn es keine Hoffnung auf Besserung mehr gibt, und das Leben darum keinen Sinn mehr hat. Wenn die Lebensqualität weg ist.

Konkret?
Als Krebspatient, der auch noch ein Schlägli hatte, oder mit Alzheimer. Eine reine Belastung für meine Familie und die Krankenkasse möchte ich nicht sein.

Dann würden Sie den Giftbecher bei Exit bestellen?
Ja – und ich erwarte, dass ich ihn dann auch bekomme. Ob ich ihn auch austrinken würde, weiss ich natürlich nicht. Ich glaube, dieser letzte Schritt braucht Mut.

Hätten Sie ihn?
Ich hoffe, dass ich diesen Mut haben werde!

Alzheimer-Patienten können allerdings nicht mehr selber bestimmen und bekommen darum keine Unterstützung von Exit.
Alzheimer kommt ja schleichend. Ich hoffe, den richtigen Moment nicht zu verpassen. Und ich habe das mit meiner Frau besprochen. Für sie wäre es nicht einfach. Aber wenn man einen Menschen liebt, erfüllt man ihm seinen letzten Wunsch: Ich würde bei diesem schweren Schritt ebenfalls dafür sorgen, dass er im Sinne einer betroffenen Person ausgeführt wird.

Bringt das für alte Menschen nicht das Risiko mit sich, als Kostenfaktor ausgesondert zu werden?
Nein, denn wichtig ist die Selbstbestimmung, dass ich mein Leben beenden kann, wann und wie ich will. Das hat nichts mit Euthanasie wie im Dritten Reich zu tun.

Braucht es keine Regeln dafür, wie und wann Sterbehilfe-organisationen aktiv werden dürfen?
Nein, dafür darf es kein Gesetz geben. Das Wichtigste ist die Selbstbestimmung der Menschen. Die haben wir mit unserer direkten Demokratie über Jahrhunderte gelernt und können damit umgehen. Das Volk ist nämlich nicht blöd und wird keinen Unfug damit anstellen.

Heute muss man todkrank und geistig gesund sein, um Hilfe von Exit zu bekommen. Sollen auch gesunde Menschen, die einfach nicht mehr leben wollen, den Todestrank verlangen können?
Ja. Warum soll ein Mensch nicht sein Leben beenden dürfen, wenn er genug davon hat?

Keine Angst vor Missbrauch?
Nein. Wir sind alle intelligent genug.

Und lebensverlängernde Massnahmen?
Will ich nicht. Das steht auch in meiner Patientenverfügung.

Sie befürworten also nicht ein Leben um jeden Preis?
Es geht doch nicht um die Länge des Lebens, sondern um seine Qualität. Die Forschung, die das Leben auf 200 oder 300 Jahre verlängern will, ist totaler Blödsinn! Das kann ja gar nicht funktionieren. Wohin sollen denn all die Menschen hin, wenn man nicht mehr stirbt? Auf den Mars?

Aber das ewige Leben war schon immer der Wunsch der Menschen!
Diese Vorstellung ist eine totale Idiotie. Früher war das eine abstrakte, unrealistische Hoffnung, aber heute wird das bedrohlich aktuell. Man lebt intensiver, wenn man weiss, dass das Leben endlich ist.

Was kommt nach dem Tod?
Nichts. Darum kümmere ich mich auch nicht.

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