Sicherheit
Schweizer Behörden üben den Umgang mit Terrorismus

Bund, Kantone und Städte rüsten sich für die Bewältigung einer terroristischen Bedrohung. Vom 11. bis zum 13. November führen sie eine Übung durch. Rund 2000 Personen sind involviert.
Publiziert: 31.10.2019 um 09:30 Uhr
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Aktualisiert: 31.10.2019 um 12:09 Uhr

Justizministerin Karin Keller-Sutter hat am Donnerstag vor den Medien in Bern das Vorhaben begründet und das Übungsszenario vorgestellt. Die Schweiz sei ein sicheres Land, schickte sie voraus. Auch sie müsse sich aber wappnen. «Das ist nicht Alarmismus, sondern Krisenvorsorge», sagte Keller-Sutter.

Mit der Sicherheitsverbundsübung 2019 wollen die Behörden die Strukturen und Prozesse testen. Geprüft werden soll, wie die Sicherheitsorganisationen einen Krisenfall bewältigen können und wie sie in einer angespannten Lage zusammenarbeiten. Das sei gerade in einem stark dezentral organisierten Land wie der Schweiz wichtig, betonten die Verantwortlichen von Bund und Kantonen.

Schweizweit werden rund 70 Organisationen - Stäbe, Bundesstellen, Kantone, Städte und Betreiber kritischer Infrastrukturen - an der Übung teilnehmen. In der Öffentlichkeit wird davon jedoch nichts zu sehen sein: Die Teilnehmenden arbeiten an ihren üblichen Arbeitsplätzen, das Operationszentrum der Leitung ist die Kaserne in Bern.

Übungsleiter ist der Berner alt Regierungsrat und ehemalige Präsident der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorenkonferenz, Hans-Jürg Käser. Er wird den Beteiligten nach Drehbuch Informationen zukommen lassen, auf die es zu reagieren gilt. Eigentlich hat die Übung bereits vor Monaten begonnen: Die Behörden erhielten fiktive Lageberichte. Während der Tage im November wird sich die Lage nach Drehbuch zuspitzen.

Das Szenario ist eine lang anhaltende terroristische Bedrohung mit Angriffen gegen kritische Infrastrukturen, erpresserischen Forderungen und drohenden Anschlägen. Die fiktive Ausgangslage: Nach Terroranschlägen in Genf sind in der Schweiz Attentäter inhaftiert.

Kurz vor dem zweiten Jahrestag der Anschläge ereignet sich im Atomkraftwerk Beznau ein Störfall. In einer Videobotschaft verkünden die Terroristen, dass sie einen Anschlag auf das AKW verübt haben und solche Aktionen intensivieren werden, falls die Schweizer Behörden die Attentäter nicht unverzüglich freilassen.

Der Feind ist eine fiktive Terrororganisation mit dem Namen «Global Liberation Front» (GLF). Diese bekämpft den Westen, das globalisierte Finanzsystem und die internationalen Organisationen, wie es im Konzept heisst.

Ihr Ziel ist es, die industrialisierte, kapitalistische Welt durch Terror und Gewalt in ihren Grundfesten zu erschüttern. Damit soll der Weg freigemacht werden für die Machtübernahme der GLF und die Errichtung eines Staates «ohne Besitz und Gier". Als «Hort des Kapitals» gehört die Schweiz zu den Zielen der GLF.

Die GLF manipuliert mit Internet-Trolls und Cyberangriffen die öffentliche Meinung. Nachrichtenportale und soziale Medien werden mit Falschmeldungen gefüttert. Die Behörden müssten «in einem Tsunami von News und Fake News» handeln, sagte Urs Hofmann, der Präsident der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD).

Das Drehbuch entwickelt sich entlang von drei Eskalationsstufen. Die erste Stufe beinhaltet Propaganda und politische Erpressung sowie Cyberangriffe. In der zweiten Stufe sind kritische Infrastrukturen bedroht, die dritte Stufe umfasst Anschläge gegen Menschenansammlungen mit vielen Toten und Verletzten.

In der Realität steht gemäss den Berichten des Nachrichtendienstes der dschihadistisch motivierte Terrorismus als Bedrohung im Vordergrund, wie Keller-Sutter feststellte. Auch die rechts- und die linksextreme Szene würden aber Gewaltpotenzial bergen, ergänzte sie.

Für das Ziel der Übung ist die Motivation der Terroristen wohl sekundär. Bereits im bisherigen Teil der Übung seien Probleme zum Vorschein gekommen, sagte Christian Varone, Kommandant der Walliser Kantonspolizei. Für eine lange anhaltende Bedrohungslage fehle es an Polizeikräften.

Welche weiteren Schlüsse die Behörden aus der Übung ziehen, wird sich nächstes Jahr zeigen. Der Schlussbericht soll Mitte 2020 vorliegen. Die erste Sicherheitsverbundsübung hatten die Behörden 2014 durchgeführt. Damals war das Szenario eine Notsituation mit Strommangel und Grippepandemie. Davor gab es 25 Jahre keine grossen Übungen.

Früher hatte es Gesamtverteidigungsübungen mit Armeemanövern gegeben, die auch in der Öffentlichkeit sichtbar waren. Nach dem Fall der Mauer habe man sich in Sicherheit gewähnt und die Übungen eingestellt, sagte Käser. Doch die Bedrohungen seien nicht kleiner geworden, sie hätten sich nur verändert.

(SDA)

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