Die Gegner der SVP-Selbstbestimmungsinitiative rüsten sich bereits zum Gefecht. So präsentiert heute die Schweizerische Vereinigung für internationales Recht eine Broschüre, welche die Bedeutung und insbesondere die Vorteile des Völkerrechts für die Schweiz hervorhebt.
«Das Völkerrecht geht uns alle an», sagt Verbandspräsidentin Christine Kaddous, Professorin an der Uni Genf. Mit der Broschüre wolle man Fehlvorstellungen ausräumen, indem an praktischen Beispielen die Bedeutung des Völkerrechts aufgezeigt werde.
Völkerrecht greift auch im Alltag
Das Völkerrecht greift nämlich tief in den Alltag ein, wie anhand von insgesamt 36 Fallbeispielen illustriert wird. Hier ein Auszug:
Ferien: Wer etwa in die Ferien auf die Malediven reist, überfliegt dabei sieben Staaten und die hohe See. Dank Völkerrecht kein Problem. Zudem regelt das Völkerrecht auch die Sicherheitsstandards für die Flugzeuge.
Exporte: Dank den WTO-Regeln ist es den Mitgliedsstaaten normalerweise untersagt, die Importe eines Produkts völlig zu verbieten oder Kontingente festzulegen. Das Völkerrecht ermöglicht der Handelsnation Schweiz damit wichtige Exporte.
Studium: Dank internationaler Abkommen können Schweizer auch an ausländischen Universitäten studieren, wobei ihre bisherigen Abschlüsse anerkannt werden.
Kindsentführung: Wird ein Kind von einem Elternteil in einen anderen Staat entführt, kann der andere Elternteil seine Rechte dank Völkerrecht einklagen. Je nach Fall erreicht man damit gar die Rückkehr des Kindes.
Tod: Stirbt jemand im Ausland, so regelt etwa das Übereinkommen über die Leichenbeförderung die Rücktransport-Modalitäten.
Herrschaft des Rechts statt der Macht
Für die Schweiz ist das Völkerrecht von besonderer Bedeutung, wie die Autoren betonen. Grossmächte könnten ihre Interessen mittels wirtschaftlicher Druckausübung, militärischer Drohungen und anderen Druckmitteln oft wirksam durchsetzen. «Einem Kleinstaat wie der Schweiz fehlen diese Mittel weitgehend. Sie ist daher in besonderem Masse darauf angewiesen, dass die internationalen Beziehungen auf die Herrschaft des Rechts und nicht auf diejenige der Macht aufbauen.»
Das Mittelmeer wird für Flüchtlinge mehr und mehr zur Sperrzone. Das hat direkte Auswirkungen auf die Schweiz: Im Juli wurden weniger als halb so viele Migranten bei der illegalen Einreise aufgegriffen wie im Vorjahresmonat. Auch die Zahl der Asylgesuche ging stark zurück.
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe sieht die Entwicklung sehr kritisch. Das rabiate Vorgehen der libyschen Küstenwache und ihrer Partner führe dazu, dass die Schlepper immer höhere Preise verlangten, sagt Constantin Hruschka (47), Leiter der Abteilung Protection. So würden es nur noch diejenigen Menschen in die Schweiz schaffen, die mehr Geld haben – unabhängig von ihrem Schutzstatus.
«EU und die Schweiz könnten mehr humanitäre Visa erteilen»
Hruschka ist überzeugt: Mit der indirekten Beteiligung an den Rückschaffungen breche nicht nur die EU das Völkerrecht, sondern auch die Schweiz. «Sie ist Teil der Grenzschutzagentur Frontex und damit mitverantwortlich für die Zusammenarbeit mit den libyschen Milizen», sagt Hruschka.
Der Flüchtlingsexperte fordert Europa auf, aktiv zu werden. «Die EU und die Schweiz könnten mehr humanitäre Visa erteilen», sagt er. Diese erlauben es Migranten, in die Schweiz zu reisen, um dort ein Asylgesuch zu stellen. Das ist die Alternative zum 2012 abgeschafften Botschaftsasyl, das ermöglichte, auch ausserhalb der Schweiz ein Gesuch einzureichen. Humanitäre Visa werden demgegenüber restriktiver gehandhabt.
Auch Politiker sind der Meinung, dass die Schweiz nicht tatenlos zusehen dürfe. Da die Schweiz ihre Asylpolitik mit jener der EU koordiniere, stehe man genauso wie sie in der Verantwortung, sagt SP-Nationalrätin Silvia Schenker (63, BS). «Wir müssen uns über die Parteigrenzen hinweg überlegen, ob angesichts der dramatischen Lage nicht zusätzliche Massnahmen notwendig sind», sagt sie.
Linke diskutieren über Wiedereinführung des Botschaftsasyls
Grünen-Fraktionspräsident Balthasar Glättli (45) pflichtet ihr bei: «Die Schweiz kann und muss mehr tun.» Eine Option, die Grüne wie SPler diskutieren, ist die Wiedereinführung des Botschaftsasyls. Selbst bürgerliche Politiker fassen diese Option ins Auge. FDP-Nationalrat Kurt Fluri (62, SO) sagt: «Das Botschaftsasyl wäre grundsätzlich das richtige Mittel, um die Schlepperei zu verhindern.» Allerdings könne es die Schweiz nur einführen, wenn die EU den ersten Schritt mache. «Sonst würden unsere Botschaften überrannt.»
Die Möglichkeit, sich für ein koordiniertes Vorgehen starkzumachen, hätte die Schweiz möglicherweise schon bald. Bundesrätin Simonetta Sommaruga (57) hat sich bei einem Ministertreffen in Tunesien jüngst dazu bereit erklärt, den nächsten Gipfel der Kontaktgruppe in der Schweiz zu organisieren. Mitglieder der Gruppe sind nebst Libyen auch Deutschland und Frankreich.
Viele Bürgerliche sehen keinen Handlungsbedarf
Die Grünen wollen derweil, so Glättli, die Möglichkeiten ausloten, wie man «endlich auch eine Mehrheit des Parlaments» davon überzeugen könne, zu handeln. Denn viele Bürgerliche sehen derzeit gar keinen Handlungsbedarf – so auch CVP-Nationalrätin Kathy Riklin (64, ZH). «So tragisch es ist», meint sie: «Wir können nicht ganz Afrika aufnehmen.»
Das Mittelmeer wird für Flüchtlinge mehr und mehr zur Sperrzone. Das hat direkte Auswirkungen auf die Schweiz: Im Juli wurden weniger als halb so viele Migranten bei der illegalen Einreise aufgegriffen wie im Vorjahresmonat. Auch die Zahl der Asylgesuche ging stark zurück.
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe sieht die Entwicklung sehr kritisch. Das rabiate Vorgehen der libyschen Küstenwache und ihrer Partner führe dazu, dass die Schlepper immer höhere Preise verlangten, sagt Constantin Hruschka (47), Leiter der Abteilung Protection. So würden es nur noch diejenigen Menschen in die Schweiz schaffen, die mehr Geld haben – unabhängig von ihrem Schutzstatus.
«EU und die Schweiz könnten mehr humanitäre Visa erteilen»
Hruschka ist überzeugt: Mit der indirekten Beteiligung an den Rückschaffungen breche nicht nur die EU das Völkerrecht, sondern auch die Schweiz. «Sie ist Teil der Grenzschutzagentur Frontex und damit mitverantwortlich für die Zusammenarbeit mit den libyschen Milizen», sagt Hruschka.
Der Flüchtlingsexperte fordert Europa auf, aktiv zu werden. «Die EU und die Schweiz könnten mehr humanitäre Visa erteilen», sagt er. Diese erlauben es Migranten, in die Schweiz zu reisen, um dort ein Asylgesuch zu stellen. Das ist die Alternative zum 2012 abgeschafften Botschaftsasyl, das ermöglichte, auch ausserhalb der Schweiz ein Gesuch einzureichen. Humanitäre Visa werden demgegenüber restriktiver gehandhabt.
Auch Politiker sind der Meinung, dass die Schweiz nicht tatenlos zusehen dürfe. Da die Schweiz ihre Asylpolitik mit jener der EU koordiniere, stehe man genauso wie sie in der Verantwortung, sagt SP-Nationalrätin Silvia Schenker (63, BS). «Wir müssen uns über die Parteigrenzen hinweg überlegen, ob angesichts der dramatischen Lage nicht zusätzliche Massnahmen notwendig sind», sagt sie.
Linke diskutieren über Wiedereinführung des Botschaftsasyls
Grünen-Fraktionspräsident Balthasar Glättli (45) pflichtet ihr bei: «Die Schweiz kann und muss mehr tun.» Eine Option, die Grüne wie SPler diskutieren, ist die Wiedereinführung des Botschaftsasyls. Selbst bürgerliche Politiker fassen diese Option ins Auge. FDP-Nationalrat Kurt Fluri (62, SO) sagt: «Das Botschaftsasyl wäre grundsätzlich das richtige Mittel, um die Schlepperei zu verhindern.» Allerdings könne es die Schweiz nur einführen, wenn die EU den ersten Schritt mache. «Sonst würden unsere Botschaften überrannt.»
Die Möglichkeit, sich für ein koordiniertes Vorgehen starkzumachen, hätte die Schweiz möglicherweise schon bald. Bundesrätin Simonetta Sommaruga (57) hat sich bei einem Ministertreffen in Tunesien jüngst dazu bereit erklärt, den nächsten Gipfel der Kontaktgruppe in der Schweiz zu organisieren. Mitglieder der Gruppe sind nebst Libyen auch Deutschland und Frankreich.
Viele Bürgerliche sehen keinen Handlungsbedarf
Die Grünen wollen derweil, so Glättli, die Möglichkeiten ausloten, wie man «endlich auch eine Mehrheit des Parlaments» davon überzeugen könne, zu handeln. Denn viele Bürgerliche sehen derzeit gar keinen Handlungsbedarf – so auch CVP-Nationalrätin Kathy Riklin (64, ZH). «So tragisch es ist», meint sie: «Wir können nicht ganz Afrika aufnehmen.»