Im mysteriösen Fall um die isolierte Familie auf einem Bauernhof in den Niederlanden (BLICK berichtete) konzentrieren sich die Ermittlungen nun auf das Motiv. Vieles weist daraufhin, dass der festgenommene Vater eine sektenähnliche Gemeinschaft errichten wollte.
Eine Sondereinheit von 30 Beamten ermittelt. Sie versuchen, auch mit Hilfe von Psychologen festzustellen, was auf dem abgelegenen Hof in Ruinerwold seit 2010 geschehen ist. Der Vater sei ansprechbar, und auch mit den Kindern könne man kommunizieren, sagte ein Sprecher der Polizei am Freitag in der ostniederländischen Provinz Drenthe.
Wie viel war freier Wille, wie viel Zwang?
Der 67-Jährige war am Donnerstagabend festgenommen worden. Fünf seiner nun erwachsenen Kinder waren nach Aussagen der Polizei dabei und hätten «sehr heftig reagiert». Sie sollen den Vater nach einem Schlaganfall vor einigen Jahren versorgt haben.
Genau wie der ebenfalls festgenommene 58 Jahre alte Österreicher Josef B. wird der Vater der Freiheitsberaubung verdächtigt. B. hatte den Hof gemietet, wohnte aber dort wahrscheinlich nicht. Er hatte die Familie versorgt.
Die Polizei geht davon aus, dass die sechs jungen Leute, heute zwischen 18 und 25 Jahre alt, gegen ihren Willen festgehalten wurden. Nur, wo liegt die Grenze zwischen freiem Willen und Zwang? Geht es hier um starken psychischen Druck des Vaters?
Kinder können lesen und schreiben
Bisher gibt es nur wenige Informationen über das Leben auf dem Hof. Die Familie hat neun Jahre lang in einem «abschliessbaren Raum» gewohnt, der in kleine Kämmerchen aufgeteilt war. Der Raum war hinter einem Schrank verborgen.
«Der abgeschlossene Raum war deutlich dazu gedacht, um die Aussenwelt draussen zu halten», sagte die stellvertretende Polizeichefin in Drenthe, Janny Knol, im niederländischen Fernsehen. Die Polizei geht davon aus, dass die Mutter der Familie schon 2004 gestorben ist.
Die vier Mädchen und zwei Jungen waren zwar ab und zu im Garten, aber haben nie das Gelände verlassen. Auch wenn sie nie zur Schule gegangen sind, können sie lesen und schreiben und sprechen Niederländisch. Der Kontakt zu ihnen sei aber nicht einfach, sagte die Polizeichefin. «Dass sie nicht unbedingt dasselbe Verhalten zeigen wie wir, ist deutlich.»
Vater gehörte der Mun-Bewegung an
«Es ist ein schwieriges Puzzle», sagte der Bürgermeister der Gemeinde De Wolden, Roger de Groot, «und wir haben noch nicht alle Teile.» Das Puzzle wird wohl keine holländische Land-Idylle abbilden.
Der Bauernhof im 4000-Seelen-Dorf Ruinerwold liegt versteckt hinter Hecken und hohen Bäumen. Auf Drohnen-Fotos ist ein Garten mit Gemüsebeeten und bunten Blumen zu sehen. Es gibt ein Gewächshaus und Tiere.
Das isolierte Leben in der Natur und die Selbstversorgung mit eigenem Gemüse passt zu Ideen, die der Vater schon vor Jahren geäussert haben soll. Er gehörte in den 1980er Jahren der Vereinigungskirche des Koreaners Mun an. Die Sekte habe er dann verlassen, sagte der Generalsekretär der Vereinigungskirche, Wim Koetsier. «Er verliess die Bewegung 1987 und begann, soweit wir wissen, seine eigene Gruppe.»
Drei Kinder vor Jahren geflohen
Offensichtlich war es nicht einfach, aus diesem Leben des Vaters zu entkommen. Der 25-jährige Sohn hatte seinen Ausstieg geplant. Das geht aus seinen unbeholfenen ersten Schritten im Internet hervor. Schliesslich bat er am Sonntag in der Dorfkneipe um Hilfe. So war der Stein ins Rollen gekommen.
Und es gibt noch drei weitere ältere Kinder, die bereits vor einigen Jahren geflohen sein sollen. Das sagen andere Verwandte, und das bestätigt auch die Polizei. Doch bislang haben diese sich noch nicht zu Wort gemeldet.
Auch der Österreicher soll einer Sekte angehört haben. Der Vater und der Österreicher kennen sich schon lange und hatten auch ein gemeinsames Unternehmen. Die Geschäftsräume wurden nun durchsucht. Die Polizei untersucht auch, woher die grosse Summe Geld stammt, die auf dem Hof gefunden wurde. Zehntausende Euro sollen es sein, so berichteten Medien. (SDA)