Die älteste Kirche des Heiligen Landes erstrahlt in neuem Glanz
Diese Engel zeigen auf Jesu Geburtsstätte

Der Geburtsort des Heilands in Bethlehem wird aufwendig restauriert. Nun stiess man auf ein verloren geglaubtes Mosaik: den siebten Engel.
Publiziert: 25.12.2016 um 01:05 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 22:46 Uhr
Cyrill Pinto

Die Sensation liegt hinter einem Baugerüst verborgen. Denn erst seit wenigen Wochen ist er freigelegt: Der siebte Engel in der Geburtskirche von Bethlehem erstrahlt in neuem Glanz. Die Besucher können ihn noch nicht sehen. SonntagsBlick durfte die sorgsam restaurierten Mosaike bereits fotografieren.

Der Legende nach wurde die Geburtskirche genau an jenem Ort errichtet, wo Jesus das Licht der Welt erblickte. Sie gehört zu den heiligsten Stätten des Christentums. Unterhalb des Altarraums führt eine kleine Steintreppe hinab in die Geburtsgrotte. Ein silberner Stern in einer kleinen Nische soll die Stelle markieren, an der Gottes Sohn geboren wurde. Tausende Pilger besuchen den Ort jedes Jahr.

Durch ein nur etwa 1,50 Meter hohes Steinloch gelangt man ins Hauptschiff. Es ist durch Kunstlicht erhellt, Baugerüste verstellen die Decke und alle darüberliegenden Fenster. Seit drei Jahren arbeiten Ingenieure und Restauratoren hier daran, die über 1600 Jahre alte Kirche vor dem Zerfall zu retten.

Erbaut wurde die ursprüngliche Kirche, wenige Kilometer südlich von Jerusalem gelegen, zwischen den Jahren 327 und 339. Knapp hundert Jahre später entstand an derselben Stelle die Basilika in ihren heutigen Dimensionen. Im Laufe der Jahrhunderte beschädigten Feuer und Erdbeben das Gotteshaus mehrmals, nie wurde es völlig zerstört.

Im 12. Jahrhundert restaurierten Palästina-Kreuzfahrer das Gebäude zum ersten Mal. Zu jener Zeit entstanden auch die grossflächigen Mosaike. Über 2000 Quadratmeter Boden und Wände sollen sie einst bedeckt haben – 125 Quadratmeter davon sind heute noch erhalten.

Die Baustelle liegt vier Meter über dem Boden der Kirche. Für die Arbeiten wurde eine provisorische Decke aus Holz und Alu-minium eingezogen. Über eine wacklige Holztreppe gelangt man hinauf. Hier, vor der Seitenmauer des Hauptschiffs, ist der Schatz der Kirche zum Greifen nah: die über 800 Jahre alten Mosaike.

Stolz präsentiert Ingenieur Ibrahim Abedrabbo (37) das Ergebnis: «Zu Beginn unserer Arbeiten waren sie noch dunkelbraun bis dunkelblau gefärbt, das kam von den Kerzen, die früher den Raum beleuchteten.»

In monatelanger Arbeit haben der Ingenieur aus Bethlehem und sein Team, darunter auch italienische Restauratoren, die Mosaiksteinchen mit einem speziellen Material fixiert und danach mit Chemikalien gereinigt. «Sie sind so positioniert, dass sie das einfallende Licht nach unten reflektieren.» Am Anfang ihrer Arbeit waren nur sechs der ursprünglich zwölf Engel zu sehen. «Wir wussten deshalb, dass sich unter dem Gips noch weitere verbergen mussten», so Abedrabbo.

Mittels Thermografie machten Archäologen die unterschiedliche Wärmeabstrahlung der Wände sichtbar. So kamen sie den unter Putz liegenden Mosaiksteinen auf die Spur.

«Als wir den Gips an der Wand vorsichtig entfernten, kam der siebte Engel zum Vorschein», sagt Abedrabbo und zeigt auf die Figur zwischen den beiden Fenstern. «Er deutet auf den Eingang der Geburtsgrotte, des Ortes, wo Jesus geboren wurde.» Um die Mosaike zu schützen, mussten die Inge-nieure das Dach der Geburts-kirche erneuern. Dabei stiessen sie auch auf Lärchenbalken aus der Zeit der letzten Dachrenovation im 15. Jahrhundert. Sie stammen aus der Alpenregion, erklärt Abedrabbo. «Zu unserem Erstaunen waren sie noch grösstenteils intakt.»

Mit dem Ende der Arbeiten im oberen Teil ist die Kirchenrenovation noch nicht abgeschlossen. In den nächsten Monaten werden die Säulen und die Mosaike am Boden erneuert.

7,8 Millionen Euro hat die Restauration bisher gekostet, finanziert vom Staat Palästina und durch Spenden aus europä-ischen Ländern. Die Verantwortlichen schätzen, dass weitere fünf Millionen Euro nötig sein werden.

Abedrabbo: «Wir hoffen, dass wir mit den Arbeiten im nächsten Sommer fertig sind.» Die Chancen stehen deshalb gut, dass die Geburtskirche zum nächsten Weihnachtsfest in ihrer ursprünglichen Schönheit erstrahlt.

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