BlickPunkt zum AHV-Steuer-Deal
Der Kuhhandel

Mehr Geld für Rentner, weniger Steuern für Grossunternehmen: Die Steuervorlage 17 steht. Doch der Deal der Politiker ist alles andere als sauber – und ein Referendum gewiss. Wird das Volk die Kröte schlucken oder ein Exempel statuieren?
Publiziert: 15.09.2018 um 02:36 Uhr
|
Aktualisiert: 21.01.2019 um 11:16 Uhr
AHV-Reform vermischt mit Unternehmenssteuer
1:25
Deal or No Deal:AHV-Reform vermischt mit Unternehmenssteuer
Christian Dorer-2.jpg
Christian Dorer

Man nehme zwei Vorlagen, die nichts miteinander zu tun haben und vom Volk verworfen wurden, mische sie zu einem Eintopf, streue Gewürze hinein, die den Linken schmecken, und Zutaten, die Rechten behagen. Dann verkaufe man die seltsame Suppe als herausragenden Kompromiss.

Genau so verfuhr das Parlament mit seiner misslungenen Altersreform und seiner gescheiterten Unternehmenssteuerreform. Nach dem Ständerat stimmte diese Woche auch der Nationalrat dem Deal zu. Und der geht so:

  • Obwohl die Linken dies immer bekämpft haben, sind sie plötzlich damit einverstanden, die Unternehmen um 2,1 Milliarden Franken Steuern zu entlasten.
     
  • Obwohl die Rechten dies immer bekämpft haben, sind sie plötzlich damit einverstanden, dass die AHV 2,1 Milliarden Franken mehr erhält.
     
  • Das Ja der Linken wurde mit viel Geld für die AHV erkauft, die Zustimmung der Bürgerlichen mit viel Geld für die Entlastung der Wirtschaft.

Weil dazu Lohnabzüge, Arbeitgeber- und Bundesbeiträge erhöht werden müssen, zahlt der Bürger am Ende doppelt. Finanzminister Ueli Maurer sollte sich fragen, ob er nicht ein wenig leichtsinnig war, als er in der NZZ verkündete: «Die Vorlage ist so ausgestaltet, dass sie auch dem Volk erklärbar ist.»

Die Politiker sind sichtlich stolz auf diesen Kuhhandel. Aber sie haben ihren Job nicht gemacht. Der hätte darin bestanden, je einen separaten Vorschlag für die misslungene Reform der Altersvorsorge und für die misslungene Reform der Unternehmenssteuern vorzulegen. Nur dann hätten die Stimmbürger tatsächlich entscheiden können.

Wäre dieser Deal eine Volksinitiative, würde sie nicht zugelassen – wegen Verletzung der vorgeschriebenen «Einheit der Materie». Bürgerinnen und Bürger stehen jetzt vor einem Dilemma, das die Politiker uns allen zumuten:

Sollen wir die Kröte schlucken, damit zwei wichtige Geschäfte endlich deblockiert sind? Sollen wir bewährte parlamentarische Prinzipien über Bord werfen, damit die Schweiz in einer Zeit der Blockaden – EU, Altersvorsorge, Gesundheitspolitik – wenigstens einen Schritt weiterkommt? Sollen wir es den Politikern auch künftig durchgehen lassen, wenn sie ihre Themen aus purer Bequemlichkeit kreuz und quer vermischen, bloss damit am Ende für jeden von ihnen etwas Passendes dabei ist?

Oder sollen wir ein Exempel statuieren, um klarzumachen, dass sich Stimmbürger nicht so einfach kaufen lassen wie Politiker?

Gut möglich, dass der Plan für die Dealmaker aufgeht. Doch der Preis dafür wäre hoch: Millionen Schweizer werden sich in ihrem Gefühl bestätigt sehen, dass die in Bern sowieso machen, was sie wollen.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?