BLICKpunkt
Das Tabu

BLICK hat einen Integrationsvertrag für Flüchtlinge vorgeschlagen. Wer das Thema tabuisiert, befördert den Fremdenhass, kommentiert Christian Dorer, Chefredaktor der Blick-Gruppe.
Publiziert: 21.04.2017 um 23:44 Uhr
|
Aktualisiert: 28.09.2018 um 19:23 Uhr
Christian Dorer, Chefredaktor Blick-Gruppe
Foto: Shane Wilkinson

Diese Woche gab BLICK wieder einmal zu reden: über den Integrationsvertrag mit fünf Werten, fünf Pflichten und fünf Normen. Diesen Prinzipien unseres Zusammenlebens in der Schweiz sollen sich alle Flüchtlinge verpflichten, wenn sie hierbleiben möchten.

Zu reden gab aber nicht nur dieser ganz praktische Vorschlag, sondern auch unsere Kritik an der halbherzigen Integrationspolitik der Parteien. Die CVP etwa will die Entscheidung darüber, ob solch ein Vertrag nötig ist, von Kanton zu Kanton unterschiedlich regeln. Die SP will zwar sonst für alles und jedes ein Gesetz, mit Zuwanderern aber, wenn es um deren Integration geht, lediglich reden. 

Wie zur Bestätigung dafür, dass der Umgang mit Ausländern für die Linke ein grosses Tabu ist, twitterte SP-Nationalrat Cédric Wermuth über den Integrationsvertrag: «Immer, wenn man glaubt, dümmer geht’s jetzt aber garantiert nicht mehr, naja, dann geht’s offenbar doch.» Keine Auseinandersetzung mit dem Thema, kein politisches Argument, keine inhaltliche Kritik.

Ein Politiker, der so reagiert, zeigt damit, wie weit er von den Sorgen der Menschen entfernt ist, die finden: Wer in der Schweiz leben will, soll sich unseren Verhältnissen anpassen. Doch wer die Diskussion über Integration abwürgen will, überlässt das Feld den Stimmungsmachern, die am liebsten alle Grenzen schliessen würden.

Der Umgang mit der Flüchtlingsproblematik entwickelt sich immer mehr zu einer grossen Herausforderung für die Schweiz und für Europa. Wie Politiker mit dem Thema Migration umgehen, kann über die Zukunft ganzer Länder entscheiden – siehe Grossbritannien, Frankreich, Deutschland: Die Menschen wollen Gewissheit, dass die Behörden rasch klären, ob ein Flüchtling bleiben darf. Dass Abgewiesene rasch in ihre Heimat zurückkehren. Und dass alle Aufgenommenen sich im Gastland integrieren.

Denn es ist höchste Zeit, dafür zu kämpfen, dass die humanitäre Tradition Europas ihren Rückhalt bei den Bürgern nicht verliert. Dazu aber braucht es klare Regeln, die sicherstellen, dass Zugezogene die Werte unserer Gesellschaft respektieren. Der BLICK-Integrationsvertrag ist ein konstruktiver Lösungsvorschlag und hat ein grosses Echo gefunden: Viele Punkte stiessen auf Akzeptanz, manche auf Kritik, andere wurden vermisst. Prima – das ist genau die Diskussion, die unser Land braucht!

In den Kantonen gibt es Bewegung in die richtige Richtung: Peter Göldi (CVP), Präsident des St. Galler Kantonsrats, verlangt mit einer Standesinitiative landesweite Vereinbarungen. Die Aargauer CVP-Grossrätin Marianne Binder kämpft ebenfalls für eine nationale Lösung. Der Freiburger FDP-Grossrat Ruedi Vonlanthen hat das Anliegen bereits deponiert. Nun wartet er auf Antworten seiner Regierung.

Viele Kantone aber zeigen nach wie vor Hemmungen, gegenüber Zugezogenen klare Erwartungen zu formulieren und bei Bedarf Sanktionen auszusprechen. Wieso eigentlich? Selbst die meisten Betroffenen hätten kein Problem damit, im Gegenteil. Der Afghane Abdul Shukur etwa sagt: «Ich finde die Werte richtig und gut. Wer hierherkommt, der hat sich ohne Wenn und Aber daran zu halten. Daher bin ich für einen Integrationsvertrag.»

All die Wermuths aber, die einen Integrationsvertrag weiter tabuisieren, die unseren Vorschlag lächerlich machen, verdrängen, abweisen wollen: Sie haben den besorgten Bürgern der Schweiz nichts anzubieten. Das heisst: Sie haben kein Rezept gegen den Fremdenhass.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?