Helmut Hubacher überraschte mich vor wenigen Jahren mit einer hochinteressanten These: Er sei sicher, dass die AHV heutzutage chancenlos wäre, wenn es sie nicht schon gäbe. Der ehemalige SP-Präsident begründete dies mit dem zentralen Mechanismus unserer Altersvorsorge – sie bildet ein System, in das jeder gemäss seinen finanziellen Möglichkeiten einzahlt, das aber an alle Bezüger den gleichen Betrag ausschüttet, egal, ob mittellos oder milliardenschwer. Eine derart fulminante Umverteilung wäre bei den heutigen politischen Verhältnissen, so Hubacher in seinem Haus im Jura, nicht mehr machbar.
Der mittlerweile 92-jährige Hubacher ist ein sozialdemokratisches und gewerkschaftliches Urgestein. Er politisiert seit den Fünfzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts. Besser als mit seinen Ausführungen ist die epochale Bedeutung der Institution AHV kaum zu erklären. Sie hat als sozialer Stabilisator einen wesentlichen Anteil an der Wohlfahrt unseres Landes.
In den sieben Jahrzehnten ihres Bestehens hat sich allerdings so manches geändert: Die Arbeitswelt hat sich beschleunigt und ist flexibler geworden denn je. Die Jungen müssen die Renten von immer mehr Alten finanzieren. Die Lebenserwartung ist seit 1947 um mehr als zehn Jahre gestiegen. Nun muss ein jugendlich-schicker Bundesrat Alain Berset die historische Errungenschaft vor dem drohenden Kollaps retten. Die politischen Lager stehen sich unversöhnlich gegenüber – eine Blockade, welche die dringende Reform des Sozialwerks seit 2004 verhindert.
Diese gewaltigen Herausforderungen stehen wie ein Berg vor der Nation – da wirken die Resultate der GFS-Umfrage wie ein wohltuender Lichtblick: Die Schweizer Bevölkerung ist reformfreudiger, als es die politische Realität in Bundesbern vermuten lässt. Beinahe fühlt man sich in die Zeiten von Helmut Hubachers politischen Anfängen zurückversetzt.