Ich soll doch mal erklären, was eigentlich ein Aktionär ist. Dies bat mich kürzlich ein Leser aus Beringen im Kanton Schaffhausen. «Ist ein Aktionär ein Gutmensch, der einer aktienkotierten Firma Geld zur Verfügung stellt und zwar aus Sympathie zur Firma?» Oder sei der Aktionär ein Schlechtmensch, der nur danach trachte, ohne eigene Arbeitsleistung Gewinne zu erzielen. «Ein so genannter Spekulations-Aktionär?»
Den Mann aus Beringen stört, dass bei gutem Geschäftsgang ein Teil der von den Arbeitnehmenden erwirtschafteten Gewinne den Aktionären ausbezahlt wird. «Die Aktionäre sind eigentlich Schmarotzer der arbeitenden Belegschaft», meint er. Sie seien Leibeigene von anonymen Aktionären. Er sagt es noch krasser: «Früher wurden die Sklaven auf Plätzen ersteigert, heute geschieht es an den Börsen.»
Krass. In der Tat. Doch wenn wir den Faden seiner Überlegungen weiterspinnen, muss man zum Schluss kommen, dass der Kapitalismus in seinen Grundfesten schlecht ist. Durchaus eine legitime Ansicht. Doch die Diskussion darüber würde diese Kolumne sprengen. Mindestens eine Bemerkung möchte ich doch noch loswerden: Ich zweifle, ob die Arbeiter beziehungsweise Leibeigene überhaupt einen Job hätten, wenn keine anonyme Aktionäre ihr Geld investierten.
Kommen wir zum ersten Typ Aktionär, wie er vom Leser als Gutmensch qualifiziert wird. Es gibt nämlich welche, die nicht aus Gier, sondern aus emotionalen Gründen oder aus Sympathie zum Unternehmen Aktien kaufen. Selbstverständlich sind auch sie nicht abgeneigt, für das zur Verfügung gestellte Kapital eine Dividende oder zumindest eine Naturaldividende zu erhalten.
Solche Aktien heissen Liebhaberwerte und werden häufig nur ausserbörslich gehandelt. In gewissen Fällen kann man sie ganz romantisch direkt beim Unternehmen kaufen, zahlt dafür keine Courtage, keine Depotgebühren und verwahrt das Wertpapier zu Hause auf.
Leider ziehen sich über dieser Idylle dunkle Wolken auf. Seit Mitte 2015 müssen Aktiengesellschaften, deren Papiere nur ausserbörslich gehandelt werden, nicht nur für Namensaktionäre, sondern auch für Inhaberaktionäre ein Register führen. Für kleinere Unternehmen ist das zu aufwendig. Sie haben sich deshalb dazu entschieden, ihre Papiere zu entmaterialisieren. Es gibt sie also nicht mehr in Papierform. Sie werden bloss noch als Bucheffekte geführt.
Wer also entmaterialisierte Aktien seines Lieblingsunternehmens kaufen will, muss das über die Bank tun. Das ist aber mit unverhältnismässig hohen Gebühren verbunden, wenn man nur ein paar wenige Aktien haben will. Da muss man das Unternehmen schon sehr lieb haben.
Lieber Sobli-Leser aus Beringen, Sie sehen, es gibt sehr wohl Menschen, die Aktien aus Liebe zum Unternehmen kaufen. Leider wird solchen Gutmenschen das Leben schwer beziehungsweise das Investieren unattraktiv gemacht.