Liebe Leserin, lieber Leser
Falsche Fünfziger predigen Wasser und trinken Wein. Und dann gibt es Walliser Winzer, die Wein predigen, aber Giftcocktails mixen. Was SonntagsBlick-Reporter Cyrill Pinto über den Pestizideinsatz auf den Rebflächen im Unterwallis herausgefunden hat, lässt einem das Blut in den Adern gefrieren.
In rauen Mengen wird das Gift per Helikopter weiträumig verspritzt. Unabhängige Experten sagen: Die Walliser setzen sich systematisch über die ohnehin laschen Vorschriften hinweg. An manchen Tagen erkennt man den Missstand mit blossem Auge: Dann schäumen die Pestizide in den Bächen rund um die Rebberge, bis sie vom Genfersee geschluckt werden und bei den Fischen landen. Na, prost!
Der Bund unterstützt den Walliser Rebbau jährlich mit Millionenbeträgen. Jede Hektare ist mit bis zu 6680 Franken subventioniert. Begründet werden die Zahlungen damit, dass Hege und Pflege der Trauben im Hanggebiet sehr aufwendig seien. Das wären sie in der Tat – würden sich die Winzer am Boden um ihre Pflanzen kümmern und nicht einfach die Gift-Helis losschicken.
Kurz gesagt: Hier kippt Bauernschläue ins Abgefeimte.
Die Unterwalliser Umweltsünden sind auch ein politischer Skandal. Die Behörden in Bern sind darüber seit Jahren im Bild. Das Einzige, was sie tun: schweigen und weiterhin Subventionen zahlen.
Das Rhonetal gilt als Wiege des Schweizer Weinbaus, bereits vor 2500 Jahren wurden hier Reben kultiviert. Heute ist das Wallis die grösste Weinregion des Landes. Pestizide in der Landwirtschaft sind aber auch ganz grundsätzlich ein nationales Thema: Im Wallis wird zwar besonders krass gefuhrwerkt – eine gewisse Sorglosigkeit beim Umgang mit Umweltgiften lässt sich allerdings überall beobachten.
In den Sozialwissenschaften spricht man vom «Wahrnehmungs-Bias». Gemeint ist die Neigung, Informationen so zu interpretieren, dass sie den eigenen Erwartungen entsprechen. Wohl nirgendwo hat das Wort «Bias» mehr Berechtigung als im Hinblick auf die Landwirtschaft: Wir hören tagtäglich so viel von «Öko» und «Bio», dass wir uns ganz selbstverständlich für Weltmeister im Umweltschutz halten. In Wirklichkeit landet die Schweizer Landwirtschaft bei entsprechenden Ländervergleichen jeweils nur im Mittelfeld.
Unser Land ist weit weniger grün, als wir glauben: Die Verbraucher und Steuerzahler in der Schweiz leiden an einem akuten «Bio-Bias»!
Bauern leben gut von dieser falschen Wahrnehmung. Die Fische im Genfersee nicht so sehr.
Einen schönen Sonntag wünscht Ihnen
Gieri Cavelty