Liebe Leserin, lieber Leser
Klar gibt es Eltern, die ihre Kinder wegen jedem Bobo zum Arzt schleppen. Und ja: Kinderärzte brauchen kein Mitleid. Noch der Genügsamste unter ihnen verdient weit mehr als der Durchschnitt der Bevölkerung – und hat obendrein ein erfülltes Berufsleben.
Dennoch ist es stossend, wenn der Bund das Gesundheitswesen jetzt ausgerechnet auf Kosten der Kindermedizin kurieren will. Die neusten Änderungen im Tarifsystem der Ärzte sehen empfindliche Einsparungen bei Kindernotfällen vor. SonntagsBlick-Reporter Benno Tuchschmid zeigt in seinem Artikel, warum solche Einschnitte eine Zumutung für viele Familien bedeuten – und welche Gefahren sie bergen.
Unsäglich ist dieses Vorgehen auch deshalb, weil es so typisch ist: Wird in unserem Land ein Sparprogramm aufgesetzt, fallen irgendwo zusätzliche Kosten an, dann sind die Familien in aller Regel die Leidtragenden.
Jahrelang haben die Kantone ihre Steuern für Unternehmen gesenkt. Doch als sich der finanzpolitische Horizont zu verfinstern begann, wurde wie selbstverständlich als Erstes bei den Schulen gespart. Unsere Wirtschaft verlangt zwar nach Arbeitskräften, die Schweizerinnen und Schweizer folgen diesem Ruf auch bereitwillig. Für die teure externe Kinderbetreuung freilich kommen die Haushalte grösstenteils selber auf.
Und wo wir schon vom Gesundheitswesen sprechen: Die steigenden Kosten sind selbstredend ein Ärgernis. Wieso aber legt sich der Bund nicht mit der Pharmaindustrie an und fordert gleich hohe, also tiefere, Medikamentenpreise wie im Ausland? Weil es eben leichter ist, an der Kindermedizin herumzudoktern.
In Bern hat jeder seine Lobby: die Bauern, die Armee, sogar die Tabakbranche. Es gibt das Militärdepartement mit einem Jahresbudget von fünf Milliarden. Es gibt das Institut für Messwesen und Präsenz Schweiz, das PR-Büro des Aussenministeriums ... Was es nicht gibt, ist ein Eidgenössisches Familiendepartement.
Warum ist das eigentlich so?
Aber ja: Selbstverständlich engagiert sich der Staat auch im Familienbereich – mitunter jedoch auf fragwürdige Weise. Auf Seite 12 lesen Sie einen Artikel über die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde im Baselbieter Laufental. Ein Kindergärtler geriet dort wegen überbordender Doktorspiele ins Visier der Kesb. Ein klärendes Gespräch mit Eltern und Nachbarschaft hätte die Situation vermutlich rasch beruhigt. Stattdessen hält das Amt den Fall seit einem Jahr am Köcheln.
Entweder hatte das Kind im Sommer 2016 ein gravierendes Problem: Dann stellt sich die Frage, weshalb die Behörden nicht längst und konsequent durchgegriffen haben. Oder aber – was wesentlich wahrscheinlicher sein dürfte – es ist nichts dran an der Sache, die Kesb hat sich verrannt. Und traumatisiert mit ihrem dilettantischen Vorgehen Bub und Familie.
Gewiss, die Schweiz braucht eine Familienpolitik. Aber doch bitte eine mit gesundem Menschenverstand!
Einen schönen Sonntag wünscht Ihnen
Gieri Cavelty