Editorial
Die SVP dreht tolle Pirouetten

Publiziert: 19.02.2017 um 00:00 Uhr
|
Aktualisiert: 04.10.2018 um 19:35 Uhr
Gieri Cavelty

Liebe Leserin, lieber Leser

Trau, schau, wem! Erstmals dokumentiert ist dieser merkwürdige Merkspruch auf einem Flugblatt aus dem 17. Jahrhundert. Das Wort «Vertrauen» aber ist erst in jüngster Zeit richtig in Mode gekommen: Seit der Finanz­krise 2008 verwenden die Banken den Begriff inflationär. «Vertrauen muss verdient werden», lautet der Slogan einer deutschen Bank, eine ­andere hausiert mit «Sicherheit ist Vertrauenssache», eine dritte mit «Veranlagung verlangt Vertrauen». Auch unsere wirtschaftsnahen Politiker müssen sich das Vertrauen der Öffentlichkeit vermehrt erbetteln. Und werden am Ende gleichwohl mit einem 60-Prozent-Nein zur ­Unternehmenssteuerreform gedemütigt.

Im Parlament hatten besagte Steuerreform die SVP-Vorderen Magdalena Martullo-Blocher, Thomas Aeschi und Thomas Matter wesentlich geprägt. Beim Abstimmungskampf engagierte sich SVP-Nationalrat Roger Köppel in seiner «Weltwoche» mit Verve dafür. Und doch wollten gerade SVP-Wähler nichts davon wissen. Nie zuvor hat ein Parteivolk seiner Spitze den Gehorsam so vehement verweigert.

Beim Urnengang zur Steuerreform wird der existenzielle Widerspruch der SVP wie unter einer Lupe sichtbar: Die Partei präsentiert sich als Interessenvertreterin des hart arbeitenden kleinen Mannes, richtet sich in Wirklichkeit aber doch eher nach der Agenda derjenigen, die sich nichts sehnlicher wünschen als eine steuerbefreite Dividende. Normalerweise lässt sich dieser Widerspruch unter dem berühmt-berüchtigten nationalkonservativen Kostüm kaschieren. In diesem Sinne feiert der einstige Steuerreform-Propagandist Roger Köppel das Abstimmungsresultat jetzt als grossartiges Nein der Schweizer gegen abgehobene Eliten und gegen die EU. Sein jüngstes Editorial in der «Weltwoche» ist ein Meisterstück der politischen Pirouette. So viel Chuzpe verdient Respekt! Vermutlich wird diese Strategie auch Erfolg haben: Die SVP braucht nur wieder ein ausländer- oder aussenpolitisches Projekt, dann ist ihr Ruf im Grossen und Ganzen bald wieder hergestellt.

Und doch wird sich der eine oder die andere beim Ausfüllen des nächsten Wahlzettels vielleicht kurz sagen: Trau, schau, wem!

Einen schönen Sonntag wünscht Ihnen
Gieri Cavelty

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?