Der Hashtag #MeToo hat Geburtstag. Ein Jahr ist er alt. Fünfzehn Millionen Mal wurde er geteilt. Und viele nervt er nur noch, weil er Frauen zu Opfern und Männer zu Tätern erkläre.
Als ob frauenverachtende, ihre Macht missbrauchende Täter nicht auch Opfer sein könnten. Statistiken begreifen das männliche seit langem als das verzagende Geschlecht: Männer begehen dreimal so häufig Selbstmord wie Frauen, sterben fünf Jahre früher, versagen häufiger in der Schule und leiden häufiger unter einer Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung (ADHS); sie werden öfter übergewichtig, pornosüchtig, spielsüchtig oder kriminell, und es gibt mehr männliche Rechtsradikale, Amokläufer und Mitglieder von sogenannten Hassgruppen.
Papa, wo bist du?
In den USA, dem Ursprungsland der #MeToo-Bewegung, sind jetzt zwei Bücher herausgekommen, die sich in den Gründen für die Krise des modernen Mannes ziemlich einig sind: Schuld ist der Vater. Beziehungsweise dessen Abwesenheit.
Männer, die von ihren Vätern im Stich gelassen werden, fühlten sich oft selbst als Versager, so das Fazit von Warren Farrell und John Gray in ihrem (noch) unübersetzten Buch «The Boy Crisis». Buben brauchen Männer, nicht Frauen, um sich in ihrem Mannsein zu bestätigen. Aber aufgrund der hohen Scheidungsrate haben viele Söhne keinen Alltag mit ihren Vätern. Studien zeigen, dass die Söhne abwesender Väter öfter gemobbt und straffällig werden.
Michael Kimmel fragt sich in seinem (ebenfalls noch unübersetzten) Buch «Healing from Hate», wer sich von extremen, gewaltbereiten Gruppen angezogen fühle. Seine Antwort: Es sind fast ausnahmslos Männer, die aus zerrütteten Familien stammen. Viele wurden von ihren Vätern verlassen, manche psychisch und physisch missbraucht. Das Gefühl von Ohnmacht machen die Söhne dann wett, indem sie im Verbund mit Schicksalsgenossen auf die Überlegenheit des weissen Mannes pochen und Frauen als minderwertig behandeln.
Väter, mischt euch ein!
Rassisten sind Extremfälle. Aber an den Extremen erkennt man das Muster besonders gut. Und die Lösung: Männer müssen nur ihr Herz und ihre Aufgabe als Väter entdecken, sich in das Leben ihrer Söhne einmischen – und ja, die Mütter müssen das dann auch zulassen. Und alles wird gut.
Ursula von Arx hat zwei zwölfjährige Söhne. Zu ihrem Leidwesen leisten die beiden den autoritären Gesten ihres Vaters öfter Folge als den Vernunftappellen ihrer Mutter. Sie schreibt jeden zweiten Montag im BLICK.