Worum geht es bei der Volksinitiative mit dem seltsamen Namen No Billag? Es geht um etwas, was bislang bestens funktionierte: die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG). Es geht um den ausgezeichneten Radio- und Fernsehjournalismus, mit dem diese SRG seit Jahr und Tag die Schweizerinnen und Schweizer beliefert.
Diese grosse und solide, beispielhafte und bewundernswerte Institution soll zerschlagen werden, und zwar durch Abschaffung der Gebühren, die sie von den Bürgerinnen und Bürgern erhält, denen sie ihre ganze Existenz, ihre ganze Arbeit widmet.
Hinter dem Zerstörungswerk steckten ursprünglich nur ein paar Hasardeure, die, wie man hört, beim Bier beschlossen, die SRG um ihre Einnahmen und damit Tausende Radio- und Fernsehjournalisten um ihre Arbeitsplätze zu bringen. Das Bubenstück lohnt nicht einmal die Frage, wie viel Geist auf einem Bierdeckel Platz hat. Bierdeckel reimt sich übrigens im Schweizerdeutschen auf ein deftiges Kraftwort, das zu erraten dem Leser überlassen sei.
Inzwischen haben ganz andere No Billag zu ihrer Sache erklärt, allerdings nicht immer offen. Warum nicht offen? Weil es dabei ums Beutemachen geht. Zu so etwas steht niemand gern, das wäre allzu dreist. Doch bei den Mächten, die mit der Bieridee No Billag ihr medienpolitisches Spiel treiben, ist auch mit bestem Willen kein anderes Motiv zu erkennen.
Die SRG ist die Beute – Beute in Form von Macht und Geld.
Anführer der Treibjagd auf das Schweizer Radio und Fernsehen ist der Verwaltungsratspräsident von Tamedia, dem Verlag, der mit dem «Tages-Anzeiger», der «Berner Zeitung», mit «20 Minuten» oder der «SonntagsZeitung» achtbaren und immer wieder vorzüglichen Journalismus macht. Das Medienimperium der Tamedia erstreckt sich auch auf die französische Schweiz, ist also, was die journalistische Machtzusammenballung betrifft, bereits heute nicht ganz unproblematisch.
Der Zürcher Verleger ist zugleich Präsident des Verbandes Schweizer Medien (VSM), einer Vereinigung, deren Ziel doch die Pflege einer Medienlandschaft sein müsste, die dem so komplex gegliederten Land gerecht wird und seiner so besonderen Demokratie dienlich ist. Dies ist in der Tat kein leichtes Unterfangen: Drei Sprachkulturen müssen ihre mediale Eigenständigkeit bewahren – und zwar gegenüber den drei grossen gleichsprachigen Nachbar-Nationen Deutschland, Frankreich und Italien.
Die Pflege der journalistischen Autonomie von Deutschschweiz, Suisse romande und Ticino zählt zu den Kernaufgaben der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft. Sie bespielt die drei Landesteile mit einem jeweils gleich starken Radio- und Fernsehprogramm.
Für die SRG besteht die Schweiz also nicht aus einer grossen und damit programmlich bevorteilten Deutschschweiz, einer kleineren Suisse romande und einem kleinen Ticino mit entsprechend reduziertem Radio/TV-Angebot. Nein, die Sendeanstalt des Schweizer Volkes betrachtet die Sprachkulturen als gleichrangig: eins zu eins zu eins. Denn so ist die Schweiz: Keine der drei Kulturen hat geringere Bedeutung.
Müsste man also nicht davon ausgehen, dass verantwortungsbewusste Verleger diesen Einsatz der SRG fürs eidgenössische Ganze respektieren und unterstützen? Man müsste. Aber dem ist nicht so – nicht mehr so: Der Präsident der Verleger hat den VSM längst zum Instrument seiner Tamedia-Interessen zugerichtet und auf Angriffskurs gegen die SRG gebracht.
Wie das geht, wird eben gerade vorexerziert: Ist die SRG nicht einverstanden mit Forderungen von Tamedia, die als Forderungen des Verlegerverbandes ausgegeben werden, droht der Verband, No Billag nicht abzulehnen.
Die SRG soll sich also den Tamedia-Forderungen unterwerfen.
Man darf dieses Vorgehen auch eine medienpolitische Erpressung nennen. Leider, leider sind es die Schweizer Verleger, die mit diesem durchsichtigen Treiben ihre Ehre verspielen.
Inzwischen steht ihr Präsident auch noch in Diensten deutscher Privatsender: Er hat angekündigt, die Vermarktungsagentur zu kaufen, die davon lebt, schweizerisches Werbeaufkommen an deutsche Medienmächtige wie RTL, ProSieben oder Sat.1 zu verschachern, damit diese ihre helvetische Marktstellung noch stärker ausbauen können – auf Kosten der SRG.
Seichtes ausländisches Zappel-TV wird in Stellung gebracht gegen Schweizer Kulturfernsehen. Wer den Qualitätsunterschied noch nicht kennt, sollte einfach mal einen Abend lang auf RTL und Konsorten umschalten.
Wenn aber No Billag abgelehnt würde, weil die Schweizer Bürgerinnen und Bürger sich ihr Radio und Fernsehen nicht nehmen lassen wollen? Auch dafür gibt es schon den Bierdeckel: Dann soll der SRG statt Gebühren ersatzweise die Werbung gestrichen werden. So steht es im Manifest des VSM-Präsidenten und Tamedia-Chefs. Die Kaputtmacher sind zu allem entschlossen.
Ja, die monatlichen Gebühren und auch die Werbegelder für die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft sind der Beitrag der Gemeinschaft aller Schweizerinnen und Schweizer zum medialen Gemeinwohl.
Für den Verleger, der mit seinen gleichgeschalteten Kollegen und Handlangern dagegen ankämpft, heisst Gemeinwohl:
Meinwohl.
Die Schweiz stimmt wieder ab: Erklärungen zu allen Initiativen, aktuelle News und prominente Stimmen zum Thema finden Sie hier.
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