Ist Donald Trump ein Verrückter? Oder tut er nur so?
Wie auch immer, es läuft aufs Gleiche hinaus: Wenn der Präsident der Weltmacht USA verrücktspielt, hat das Wirkung auf die Welt: Er verrückt, was alle Welt bisher als unverrückbar erachtete. Er zerstört – wie wir täglich erleben – die Gewissheit, dass wahr wahr und unwahr unwahr ist. Und er nimmt uns die Zuversicht, dass die Dinge wenigstens einigermassen ihren gewohnten Lauf nehmen, dass Überraschungen sich also in Grenzen halten.
Seit Donald Trump im Weissen Haus den Weltmächtigen gibt, ist das Stück Weltgeschichte, das wir gerade vorgeführt bekommen, ein Stück aus dem Tollhaus. Eine Tragödie? Ein Lustspiel? Keiner weiss es.
Aus Kontinuität wurde Diskontinuität. Für den Wechsel zwischen diesen Aggregatzuständen der Geschichte hält das Digital-Globalesisch einen ganz eigenen Begriff bereit:
Disruption.
Unzufriedenheit mit der etablierten Politik ist die Signatur des gerade angebrochenen Zeitenwandels. Populisten von links und von rechts und aus der Mitte beunruhigen westliche Demokratien, fegen gar, wie in Frankreich, ein komplettes, seit Jahrzehnten eingespieltes Parteiensystem hinweg.
Disruption statt Revolution.
Das Schweizervolk, so wurde jüngst vermeldet, vertraut dem Bundesrat.
55 Prozent – also die Mehrheit – stehen sogar hundertprozentig hinter der Landesregierung, und zwar nicht etwa aus Desinteresse an der Politik, ganz im Gegenteil: 60 Prozent interessieren sich ausdrücklich für Politik.
Die Schweiz in Zeiten der Disruption!
Für diese wundersam anmutende Zufriedenheit steht anekdotisch der stets tadellos frisierte Schweizer Aussenminister, der ja das Land durch die Stürme der Disruption zu navigieren hätte: Er bediente das Steuerruder, wie man vernimmt, seit einiger Zeit gern von zu Hause aus, wurde deshalb auch «Homeoffice-Bundesrat» genannt – und bleibt jetzt, wie er diese Woche verlauten liess, infolge Rücktritts sogar ganz in Neuenburg.
Geschehen ist damit nichts. Passiert auch nichts.
Eine Nation, die sich solche Regierenden leisten kann, darf getrost als glücklich bezeichnet werden.
Ja, in Zeiten weltweiten Missvergnügens erwartet die Schweiz einen Sommer des Vergnügens. Oder der Langeweile.
Wer aber Langeweile hat in diesen aufgeregten Zeiten, der muss etwas richtig machen.
Was macht die Schweiz richtig? Sie wartet ab.
Sie wartet ab, was die Disruption hervorbringt: in Europa, auf den britischen Inseln, in den USA, auf der ganzen Welt.
Welch ein Luxus!
Aber so war es schon immer: Die Schweiz wartete mit dem Beitritt zur Uno; sie wartete mit dem Ordnen ihrer Beziehungen zu Europa – eigentlich wartet sie damit immer noch; auch wartete sie mit der Abschaffung des Bankgeheimnisses.
In all den Dingen, die mit der Welt zu tun haben, wartete die Schweiz, bis das Warten unanständig wurde und die Welt, die man warten liess, missbilligend das Ende ihrer Geduld signalisierte. In solchen Momenten, die auf momentlose Phasen folgen, sind die Schweizer plötzlich sehr schnell.
Seit wohl einem halben Jahrhundert geht diese Strategie der Betulichkeit auf. Der Bundesrat hat sie perfektioniert: nicht bewegen, bevor es brennt.
Nun führt Disruption zu rabiat veränderten Verhältnissen. Auch für die Schweiz. Sie wird sich darob nicht neu erfinden müssen, doch sich wenigstens ins Unvermeidliche fügen, zum Beispiel in ein Europa, das aufbricht, zum Beispiel in ein Britannien, das wegbricht, zum Beispiel in die USA, die derzeit mit allem brechen, was seit je und bis in alle Ewigkeit festgefügt schien.
Zum richtigen Handeln benötigt die Schweiz deshalb Handlungsanleitungen, die sich aus sorgfältiger Beobachtung des disruptiven Geschehens ergeben. Die Langeweile des vergnügten Sommers ist deshalb zu nutzen.
Denn Morgen kann rasch sein.