So viel Kaltschnäuzigkeit hätte man unserem Nationalrat nicht zugetraut.
Draussen braut sich die grösste Bedrohung der Menschheitsgeschichte zusammen. Unsere Erde dürfte heute bereits wärmer sein als in den vergangenen 120 000 Jahren. Schon jetzt ist klar: Die Zukunft bringt Dürren, Überflutungen, Superstürme, Waldbrände. Und alles zusammen in noch nie gesehenen Dimensionen.
Die Frage ist nur, wie gross das Ausmass dieser Katastrophen sein wird. Droht eine unerträgliche Heisszeit oder gleich der innerste Kreis der Hölle? Die Antwort hängt unmittelbar von der Höhe des globalen Temperaturanstiegs ab: Sind es eher zwei oder eher vier Grad Celsius bis Ende des Jahrhunderts?
Im wohlklimatisierten Bundeshaus freilich lässt dies eine Mehrheit der Parlamentarier kalt. Diese Woche hat der Nationalrat darüber diskutiert, welchen Beitrag die Schweiz zur minimalen Eindämmung des Klimawandels leisten soll. Man kam überein: Am besten macht man gar nichts. Der Nationalrat hat das geplante neue CO2-Gesetz kurzerhand versenkt.
Wie ist das möglich? Wie argumentiert etwa die SVP, jene politische Kraft, die am entschiedensten jede Art von Klimaschutz bekämpft? Ihr umweltpolitischer Sprecher wehrte sich unter anderem mit diesem Satz gegen das neue CO2-Gesetz: «Wenn morgen zwei Vulkane ausbrechen, dann können Sie Ihren Gesetzestext in der Pfeife rauchen!»
Wer diese Argumentation zu Ende denkt, kann gleich die Anarchie ausrufen. Wenn morgen ein Komet einschlägt, kann man alle Gesetze dieser Welt in der Pfeife rauchen.
Auf höhere Gewalt berief sich auch jener SVP-Nationalrat, der sagte: «Eine wirksame Klimapolitik kann nur funktionieren, wenn sich alle Staaten, insbesondere die Grossemittenten, daran beteiligen.» Im Klartext: Weil die USA unter Donald Trump nichts von Klimaschutz wissen wollen, braucht die Schweiz erst recht nichts zu unternehmen.
Der US-Präsident ist für die SVP offensichtlich mehr als ein bequemes Alibi fürs Nichtstun. Er ist das grosse Vorbild: Was für Trump und seine Nachbeter zählt, ist der schnelle wirtschaftliche Erfolg, ungeachtet der langfristigen Folgen.
Haben Sie schon einmal ein Bild des letzten deutschen Kaisers Wilhelm II. betrachtet? Man wundert sich, dass diese Gestalt mit Federbusch und Riesenschnauz überhaupt ernst genommen wurde. Auf uns wirkt die Figur bloss lächerlich.
Und doch ist wahr: Sein aggressiver, nationalistischer Ton, der Schwung und die Spontaneität, die man ihm nachsagte, machten Eindruck. Auch in der Schweiz hatte der Kaiser viele Bewunderer und kleine Nachahmer. Fest steht aber ebenso: Sein Einfluss auf die Weltgeschichte war verheerend.
Es war der schlimmstmögliche Einfluss, den ein Mensch vor 100 Jahren überhaupt ausüben konnte. Wilhelm II. ist einer der Hauptverantwortlichen für die Schrecken des Ersten Weltkriegs.
Im Jahr 2018 kann ein amerikanischer Präsident mit einer aggressiven, nationalistischen Rhetorik natürlich mindestens so viel Unheil anrichten. Vor allem dann, wenn ihm alle Welt in seinem Krieg gegen das Klima nacheifert.
Allerdings besteht das Risiko, dass sich in 100 Jahren niemand über die grotesken Auftritte von Donald Trump wundern wird.
Die Menschheit könnte zu diesem Zeitpunkt anderes zu tun haben: Sie kämpft ums Überleben.