Woher die Kandidaten kommen und wo ihre Schwächen liegen
5 Gründe, warum Putin wieder Präsident wird

Wladimir Putin wird am Sonntag mit grösster Wahrscheinlichkeit zum vierten Mal zum russischen Präsidenten gewählt. Aber warum eigentlich? Fünf Gründe für seine Wiederwahl.
Publiziert: 16.03.2018 um 18:06 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 18:55 Uhr
Vinzenz Greiner

Es ist ein kalter Sonntagabend in Moskau. Die reaktionäre Jugendorganisation «Naschi» (die Unsrigen) hat an diesem 7. Oktober 2012 in den Edel-Club Barbados am Grossen Putinkowskij Weg geladen. Es gibt Schampus, Whisky, lächelnde Models und etwas zu feiern: den 60. Geburtstag von Waldimir Putin, der heute 65 Jahre alt ist.

Putin selbst ist auch da – aber nur als Pappfigur und auf Plakaten. Dort steht «Happy Birthday Mr. President!» und auf Russisch «Vierte Amtszeit». Die brauche es, sagt die damalige Party-Organisatorin in Interviews. Warum? «Weil Putin ein starker Führer ist!», so die Antwort.

Ihr Wunsch wird wohl in Erfüllung gehen: Wladimir Putin wird an diesem Sonntag zum vierten Mal Präsident der Russischen Föderation. Denn seine Gegner im Rennen um den Sitz im Kreml sind aus fünf Gründen chancenlos.

1. Der wichtigste Konkurrent ist aus dem Weg geräumt

Alexej Nawalny (41) darf nicht zur Wahl antreten. Der Blogger, der berühmt wurde, weil er Korruption aufdeckte, ist die zentrale Figur des Widerstands gegen Putins «gelenkte Demokratie». Auf ihn hatten sich die Flickenteppich-Opposition als kleinsten gemeinsamen Nenner schon vor Jahren verständigt. Auch weil Nawalny es schafft, nicht nur junge Liberale, sondern auch nationalistische Russen mit seinen Slogans zu begeistern.

Zwar war Nawalny weit davon entfernt, Umfragewerte wie Putin zu erzielen. Dieser wollte aber offenbar kein Risiko eingehen. Ein Gesetz, das Putin selbst in die Staatsduma einbrachte, verbietet Personen zu kandidieren, die ein Vorstrafe haben. Und genau das hat Nawalny: Er soll den staatlichen Holzbetrieb Kirowles im Jahr 2009 um etwa 16 Millionen Rubel geschädigt haben. Für Beobachter und den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ist klar: Das Urteil ist willkürlich und politisch motiviert.

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Acht Kandidaten treten gegen den amtierenden Präsidenten an. Einer davon ist Boris Titow, seines Zeichens «Beauftragter des Präsidenten für Unternehmerrechte».
Foto: Getty Images

Die russische Judikative ist da anderer Meinung: Ende letzten Jahres entschied die zentrale Wahlkommission, Nawalny wegen seiner Vorstrafe von den Wahlen auszuschliessen.

2. Schwache Gegner

Putin hat völlig unterschiedliche Gegenkandidaten – alle mit ihren ganz eigenen Schwächen. Xenia Sobtschak (36), Ex-TV-Moderatorin und Tochter des einstigen Bürgermeisters von Sankt Petersburg, hat sich mit ihrem Kampagnenslogan «Sobtschak gegen alle» verhoben. Sie verstört Patrioten, weil sie sich für Sanktionen gegen Russland ausspricht.

Boris Titow (57), will eigentlich gar nicht Präsident werden. Er sagt über sich: «Ich bin kein guter Politiker». Er ist Ombudsmann für Wirtschaft der russischen Regierung und damit Teil des Systems Putin. Pawel Grudinin (57) ist aussenpolitisch auf Putin-Linie, hat aber ein Problem: Er verkauft sich als Mann der einfachen Leute, besitzt gleichzeitig aber Konten in der Schweiz. Und: Er findet Stalins Terror-Regime nicht besonders schlimm.

Ebenfalls linksaussen spielt Maxim Suraikin (39). Er hasst Oligarchen und auch seinen Kommunisten-Konkurrenten Grudinin, auf den er mit den Worten losging «Ich brech dir deinen Kiefer!». Er hat nicht nur ein Problem mit Aggressions-Management, sondern Geschichtsunterricht. Wie Grudinin zeichnet er ein positives Bild von Diktator Stalin.

Wladimir Schirinowski (71) kandidiert zum sechsten Mal. Wie Putin sieht er in Europa den Prototyp des Zerfalls traditionell-christlicher werden. Schirinowski ist nicht nur rechtsextrem, sondern hatte schon die Idee, Atombomben auf die US-Hauptstadt zu werfen. Auch anti-westlich eingestellt ist Sergej Baburin (59). Er ist eigentlich mehr Sowejt-Bürger als Russe. Er ist wie aus der Zeit gefallen und damit für viele Menschen unwählbar.

Grigori Jawlinski (65) dagegen ist ein Liberaler. Er gründete die Partei Jabloko («Apfel»), deren Mitglied auch einmal Nawalny gewesen war. Er hat Ahnung von Wirtschaft, aber keiner davon, wie man Menschen begeistert und mitreissende Reden schwingt.

3. Russland ist mehr als nur Moskau

Zwar gab es in den letzten Jahren immer wieder Proteste gegen Putin. Vor allem 2017 gingen vermehrt junge Russen in Moskau und anderen Städten auf die Strasse, um gegen die grassierende Korruption unter dem Präsidenten zu demonstrieren. Ihr Zeichen: eine gelbe Quietscheente.

Doch das sind immer nur ein paar Tausend Demonstranten. Am 18. März können aber rund 110 Millionen wahlberechtigte Russen abstimmen. Russland ist eben gross, und die Landbevölkerung ist Putins Bank. Aktuelle Umfragen zeigen: Zwar hat Putin etwas abgegeben, doch knapp sieben von zehn Russen würden ihn zum Präsidenten wählen.

4. Putin ohne Angriffsfläche

Die Staatsmedien loben Putin über den grünen Klee. Pressekonferenzen sind eine Farce. Die Fernsehsender – das ist das Medium schlechthin, über das sich die Russen informieren – ist klar auf Linie des Präsidenten.

Putin muss keine kritischen Fragen seiner Kontrahenten ertragen. Denn er nimmt nicht an Debatten Teil. Dass er sich heraushält, sei sein gutes Recht, heisst es beim Staatssender «Rossija 1». Denn Putin habe ja viel zu tun und sei mit seinen Erklärungen ohnehin «verständlich und klar», so der Sprecher und Russlands Propaganda-Geschütz Nummer Eins Dmitri Kiseljow.

Ausserdem, so Kiseljow, habe es keinen Sinn, wenn ein «unangefochtener Leader» sich mit Aussenseitern auf eine Debatte einlasse.

5. Wahlbetrug

Für ein Top-Ergebnis im Putin’schen Sinne werden sicherlich auch Wahlmanipulationen sorgen. Immer wieder wurde bei russischen Wahlen – von Parlaments- bis zu Präsidentschaftswahlen – betrogen. Bei der letzten Präsidentschaftswahl im Jahr 2012 etwa, bemängelte die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) «ernsthafte Probleme».

In jedem dritten Wahllokal sei laut OSZE die Auszählung schlecht verlaufen. Hunderte Busse sollen laut Zeugen damals von Wahllokal zu Wahllokal gefahren sein, um die Passagiere dort aussteigen und wählen zu lassen. Auch wurden Leute beobachtet, die an einer Urne gleich mehrere Zettel einwarfen.

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