Digitalisierung bei Audi
Qualitätschüsse aus der Ionenkanone

Die Digitalisierung stellt Zuverlässigkeit und Nobelfeeling von Edelautos auf die Probe. Die Audi-Qualitätssicherer schiessen jetzt gar mit der Ionenkanone auf jeden Mängelspatzen.
Publiziert: 26.11.2017 um 19:59 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 15:40 Uhr
Bei Audi stehen seit vier Jahren Raster-Elektronenmikroskop und Ionenkanone für 1,5 Millionen Franken ...
Foto: Werk
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Timothy Pfannkuchen

Eine Reise ins Audi-Entwicklungsherz ist wie ein Besuch bei CIA oder KGB: Klar fällt der Empfang durch einige der 2800 Mitarbeiter der Audi-Qualitätssicherung in Ingolstadt (D) viel freundlicher aus, aber: Kamera weg, Tablet weg, Handy zukleben. Unterschreiben, dass man für heimliche Fotos mit 10'000 Euro gebüsst wird. China und die Digitalisierung schlafen halt nie.

Fehlersuche: Der Computer analysiert beim Garagisten jetzt etwa Vibrationen und Geräusche und grenzt so die Fehlersuche stark ein (siehe Kasten unten).
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Der rollende Computer

Autonomes Fahren, Elektrifizierung, Vernetzung: Da reicht der Werkstatt-Chef mit Prüfhämmerchen nicht mehr. Das beeinflusst sogar Karosserie und Service (siehe Box unten). Und vor allem: In einem Hightechmobil wie dem Audi A8 stecken 8000 Halbleiter; 100 Bordrechner werden von 12'000 (beim autonomen Fahren gar 100'000) Signalen bombardiert. Soll das zuverlässig sein wie gewohnt, brauchts in der Entwicklung Hightech-Fehlersuche.

Die superflachen OLED sind toll für das Design und zwei Hunderstel eines Haares dünn.
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Der OLED-Unterschied

Nehmen wir die superflachen OLED-Rücklichter, im Auto erstmals bei Audi, zwei Hunderstel eines Haares dünn. Hat jeder neue Fernseher? Ja, aber die Flimmerkiste hat zwei Jahre Garantie und setzt Staub an, während A8-Rücklichter 15 Jahre Gerüttel, Schockfrosten, Sonne erdulden. Qualitätsfehler wären desaströs, zumal Bewährtes nie reicht: Fernseher reifen Monate, Autos aber Jahre – und kalten Technikkaffee kaufen Autogourmets nicht.

Der superdünne Touchscreen im neuen A8 kann nur unter dem Mikroskop untersucht werden: Menschliche Augen versagen hier bei der Fehlersuche.
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Die Ionenkanone

Also werkeln bei Audi Computertomographen, um Werkstoffe zu durchleuchten – und seit vier Jahren als Premiere ein Rasterelektronen-Mikroskop (REM) samt Ionenkanone (!) für gut 1,5 Millionen Franken. Versagt in der Entwicklung ein OLED-Halbleiter oder einer der haptisch Rückmeldung gebenden A8-Touchscreens (aus Tausendstelmillimeter dünnen Materiallagen, die nur Chemielehrer verstehen), findet den Fehler kein Menschenauge.

Ein Raster-Elektronenmikroskop samt Ionenkanone sucht bei Audi nach Fehlern etwa in Halbleitern.
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Lösung à la Audi

Die Ionenkanone schiesst unsichtbar winzige Löcher rein, und das REM «guckt» per Elektronenbeschuss hundertausendfach vergrössert hinein. Aha, das falsche Verhältnis Silizium-Kohlenstoff – darum hat Sonne die Klebelage gelöst. Bei Dacia würden sie jetzt schmunzeln über so Perfektionsdrang. Aber genau dafür kauft man Nobelhobel.

Zukunft der Qualität

Bei Stippvisiten in Auto-Entwicklungszentren lernt man immer was. Wussten Sie etwa, dass die Spaltmasse einer Audi-Tür unten grösser sind? Erst so siehts subjektiv perfekt aus. Aber «grösser» heisst bei Audi auch nur einen Zehntelmillimeter mehr. Dank Meisterbock.

Meisterbock? Das ist ganz grob erklärt die erste aus Serienwerkzeug-gefertigten Teilen zusammengesetzte Karosserie. Hier wird perfektioniert, bis jede Spalte und Fuge perfekt ist – und dies zur Referenz für die Produktion. Früher legten 120 Leute dieser Abteilung der Audi-Qualitätssicherung hektische zehn Monate vor Serienstart los. Heute gehts zwei Jahre früher – am digitalen 3D-Meisterbock. Auch am realen ists rassiger: Früher brauchte es 48 Stunden für 6000 Messpunkte, heute erledigt der Roboter 20'000 in vier Stunden.

Die autonome, vernetzte Digitalwelt verändert gar den Service. Derzeit führt Audi ein neues Analysegerät für Garagisten ein. Statt langem Probieren gibts eine Fahrt mit Mikrofonen, Sensoren, Kamera – und dann zeigt der Computer dem «Mech», dass zum Beispiel eine Vibration wohl vom Motorlager kommt. Die Zukunft: Eines Tages soll jeder Audi sich selbst unterwegs analysieren und Mängel «spüren», damits weniger Werkstattbesuche braucht.

Bei Stippvisiten in Auto-Entwicklungszentren lernt man immer was. Wussten Sie etwa, dass die Spaltmasse einer Audi-Tür unten grösser sind? Erst so siehts subjektiv perfekt aus. Aber «grösser» heisst bei Audi auch nur einen Zehntelmillimeter mehr. Dank Meisterbock.

Meisterbock? Das ist ganz grob erklärt die erste aus Serienwerkzeug-gefertigten Teilen zusammengesetzte Karosserie. Hier wird perfektioniert, bis jede Spalte und Fuge perfekt ist – und dies zur Referenz für die Produktion. Früher legten 120 Leute dieser Abteilung der Audi-Qualitätssicherung hektische zehn Monate vor Serienstart los. Heute gehts zwei Jahre früher – am digitalen 3D-Meisterbock. Auch am realen ists rassiger: Früher brauchte es 48 Stunden für 6000 Messpunkte, heute erledigt der Roboter 20'000 in vier Stunden.

Die autonome, vernetzte Digitalwelt verändert gar den Service. Derzeit führt Audi ein neues Analysegerät für Garagisten ein. Statt langem Probieren gibts eine Fahrt mit Mikrofonen, Sensoren, Kamera – und dann zeigt der Computer dem «Mech», dass zum Beispiel eine Vibration wohl vom Motorlager kommt. Die Zukunft: Eines Tages soll jeder Audi sich selbst unterwegs analysieren und Mängel «spüren», damits weniger Werkstattbesuche braucht.

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