Wie kann man das noch verstehen? Da steht US-Präsident Donald Trump (71) samt familiärem Umfeld in der Schusslinie wegen Russland-Kontakten in der Zeit des Wahlkampfs – und diese Woche unterschreibt der gleiche Trump ein Gesetz, das eine Vielzahl von Geschäften mit Russland unter Strafe stellt. Es ist so scharf formuliert, dass der russische Ministerpräsident von einem neuen Handelskrieg spricht.
Allerdings: Das Gesetz wird letzten Endes weniger US-amerikanische oder russische Firmen treffen als vielmehr westeuropäische. Die Europäer sollen bitte die Hände weglassen von Vereinbarungen mit russischen Unternehmen im Bereich der Erdöl- und Erdgas-Industrie – darauf läuft der vom US-Kongress beschlossene und von Trump abgesegnete Text hinaus. Europa (da ist auch die Schweiz mit einbezogen) soll sich von der Abhängigkeit von Erdgas und Erdöl aus Russland lösen und sich auf Importe aus den USA einrichten, letzten Endes aus dem umstrittenen amerikanischen Fracking. Und westeuropäische Unternehmen sollen keine Investitionen in Russland mehr tätigen.
Mehr Belustigung als Informationsbedürfnis
An Ungereimtes in der amerikanischen Aussenpolitik hat man sich seit dem turbulenten Start der Trump-Präsidentschaft gewöhnt. Absurdes erscheint fast normal, Trumps Twitter-Kommentare dienen mehr unserer Belustigung als dem Informationsbedürfnis. Wir nehmen den Herrn im Weissen Haus in Washington, so etwas hat es noch nie gegeben, nicht mehr ernst. Und vergessen dabei: Dieser Mann, der ja auch Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte ist, kann jederzeit einen Krieg erklären, ja er könnte sogar per Knopfdruck einen Atomangriff auslösen.
Was können wir in Europa lernen? Ich gebe zu: wenig. Immerhin dies: Wo immer möglich Wege gehen, die von den USA unabhängig sind. Beispielsweise, wenn es um die neuen Russland-Sanktionen geht, die eher Sanktionen gegen Westeuropa sind: Verweigerung. Da sind vor allem die Banken gefordert, die sich zu leicht den «Direktiven» aus den USA unterwerfen. Das Gleiche gilt für neue Sanktionen gegen den Iran. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Washington da wieder in die Offensive gehen wird. Warum? Weil das innenpolitisch populär ist, aus keinem anderen Grund.
Erich Gysling ist ehemaliger Chefredaktor von Fernsehen SRF, Leiter von «Rundschau» und «Tagesschau» und heute ein renommierter Analyst aussenpolitischer Themen.