Wo sich die grössten Flüchtlings-Dramen abspielen
Die Welt auf der Flucht

Heute zählen wir so viele Flüchtlinge wie seit dem 2. Weltkrieg nicht mehr. Die meisten davon landen aber nicht bei uns in Europa, sondern in Ländern wie Pakistan, Libanon oder Kenia. Dort, wo die Probleme schon gravierend genug sind.
Publiziert: 15.05.2015 um 21:17 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 01:28 Uhr
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Den Flüchtlingen an Bord fehlt es an Nahrung und Wasser. Zuvor wurden sie wieder aufs Meer geschickt.
Foto: AFP
Von Adrian Meyer

Als wären die Bilder von ertrinkenden Menschen im Mittelmeer nicht genug oder die überfüllten Flüchtlingslager im Libanon, in denen Hunderttausende Syrer auf ihrer Flucht vor dem Krieg landen. Nun hat auch Asien seine Flüchtlingskrise: Geschätzte 8000 Menschen treiben derzeit führerlos auf Geisterschiffen im Indischen Ozean vor Thailand, Malaysia und Indonesien. Einige offenbar seit März. An Bord sind meist muslimische Rohingya aus Burma, eine der meistverfolgten Minderheiten der Welt.

Es ist die jüngste Flüchtlingstragödie, die sich an unzählige andere der letzten Jahre reiht. Derzeit sind weltweit so viele Menschen auf der Flucht wie seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs nicht mehr. 51,2 Millionen Menschen waren es laut der neusten Zahlen des Uno-Flüchtlingshilfswerks UNHCR Ende 2013. Bis Mitte 2014 sollen weitere 5,5 Millionen Menschen dazugekommen sein.

Die Flüchtlingskrise ist längst global. Dennoch fliehen die meisten Menschen in Länder, die ohnehin schon zu den ärmsten gehören. Nicht Europa nimmt die meisten Flüchtlinge auf, sondern Entwicklungsländer wie Pakistan oder der Libanon (siehe Karte).

Insgesamt werden 16,7 Millionen Menschen als Flüchtlinge gezählt, 33,3 Millionen sind Binnenvertriebene, die sich im eigenen Land auf der Flucht befinden. 1,1 Millionen stellten einen Asylantrag in einem anderen Land. Das sind die Brennpunkte:

Südostasien

Gestern ist ein Schiff mit 700 Flüchtlingen an Bord im Indischen Ozean gesunken, nachdem die malaysische Marine es zuvor abgewiesen hatte. Nur dank Fischern konnten die Menschen gerettet werden.

An Bord waren Rohingya aus Burma. Seit Jahrzehnten werden sie dort von radikalen Buddhisten verfolgt, die keine Muslime in ihrem Land dulden. Die Rohingya wollten wie jährlich Tausende andere in die Nachbarländer Thailand, Malaysia und Indonesien fliehen. Doch diese wiesen in den vergangenen Wochen Boote ab – und schickten sie zurück aufs Meer. Führerlos, ohne Wasser und Nahrung. Bereits 2009 hat sich ein ähnlich trauriges Schauspiel ereignet, als Thailand Hunderte Rohingya zurück aufs Meer abschob.

Naher und Mittlerer Osten

Noch im Jahr 2013 war Afghanistan das Land mit den meisten Flüchtlingen, rund 2,6 Millionen. Viele von ihnen flohen ins Nachbarland Pakistan, das 1,6 Millionen von ihnen aufnahm. Oder in den Iran, wo ebenfalls Hunderttausende Zuflucht suchten.

Seit vergangenem Jahr ist Syrien trauriger Rekordhalter mit über drei Millionen Flüchtlingen. Der dortige Konflikt destabilisiert die ganze Region. Die Syrer fliehen in den Libanon, in die Türkei und nach Jordanien, die einen Grossteil von ihnen aufnehmen. Im Libanon ist bereits jeder vierte Einwohner ein Flüchtling. Wer weiterziehen will nach Europa, muss den gefährlichen Weg über das Mittelmeer wählen.

Subsahara

Neue Krisen wie im Sudan, in der Zentralafrikanischen Republik oder in Mali reihen sich ein in langjährige Konflikte wie im Kongo oder in Somalia. In Kenia liegt das grösste Flüchtlingslager der Welt mit zeitweise 450 000 somalischen Bewohnern. Kenia will das Lager aus Angst vor radikalen Islamisten schliessen.

Mittelmeer

Am vergangenen Wochenende wurden im Mittelmeer wieder 2200 Flüchtlinge in Seenot gerettet. Nach dem Bootsunglück mit über 700 Ertrunkenen im April diskutiert Europa über eine Quote, um Flüchtlinge besser zu verteilen. 20 000 sollen in den nächsten zwei Jahren aufgenommen werden. Zudem will die EU Schlepperboote in Libyen beschiessen, um den Menschenschmuggel zu stoppen.

Amerika

Aus Kolumbien fliehen noch immer Tausende vor Paramilitärs oder Drogenbanden ausser Landes. Zudem hat Kolumbien weltweit am zweitmeisten Binnenvertriebene: Sechs Millionen sind im eigenen Land auf der Flucht.

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