Wegen zu viel Stress im Alltag
Südkoreaner gehen zur Erholung ins Gefängnis

Für die meisten Menschen ist ein Gefängnis ein Ort, aus dem man fliehen möchte. Für manche Südkoreaner aber eine Möglichkeit, dem Alltagsstress zu entkommen. Im Programm «Prison Stay» lassen sich Personen in eine Zelle sperren und geben sogar ihr Handy ab.
Publiziert: 23.11.2018 um 18:30 Uhr
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Aktualisiert: 31.07.2022 um 04:14 Uhr

Die 28-jährige Hye-Ri hat umgerechnet rund 80 Euro dafür bezahlt, um am Programm «Prison Stay» teilzunehmen. Eine Einrichtung im nordöstlichen Hongcheon.

«Es ist sehr ruhig, was mir hilft, mich auf mich selbst zu konzentrieren. Ironischerweise gibt mir dieses Gefängnis eine Art Freiheit», sagt sie.

Seit der Eröffnung 2013 waren hier schon mehr als 2000 Südkoreaner zu Gast. Hye-Ri umtreibt dabei wohl auch ein schlechtes Gewissen: «Ich war zu beschäftigt. Ich sollte eigentlich gar nicht hier sein, wenn man bedenkt, wieviel Arbeit ich noch zu tun habe. Aber ich habe mich dazu entschieden, eine Pause einzulegen und auch mal über mich selbst nachzudenken, für ein besseres Leben.»

Im Jahr 2017 arbeitete ein Südkoreaner durchschnittlich 2024 Stunden. Nur Mexikaner oder Costa-Ricaner arbeiten nach Zahlen der OECD mehr. Die wöchentliche Arbeitszeit liegt seit letzten Juli bei 52 Stunden – früher bei 68. No Ji-Hyang und ihr Mann waren früher selbst Teil eines stressigen Arbeitsalltags. Dann gründeten sie das «falsche Gefängnis» im ländlichen Hongcheon.

«Die Idee hatte mein Mann. Zu einer anstrengenden Zeit in seiner Karriere, sagte er, er würde eher für eine Woche in Einzelhaft gehen, um sich zu erholen, um sich besser zu fühlen. Das war dann der Anfang», sagt die Besitzerin.

Jegliche Kommunikation, Handys, Uhren sogar Spiegel sind in den Zellen verboten. Die Einsamkeit erlaube ihnen, sich besser zu konzentriere, so No Ji-Hyang.

«Die Leute sagen zuerst 'Es wäre unnatürlich, in einer Zelle zu sein', aber nachdem sie hier waren, sagen sie 'dies ist kein Gefängnis, das wahre Gefängnis ist da, wo wir jetzt wieder hingehen.'»

Nach OECD-Angaben hatte Südkorea im Jahr 2016 die weltweit zweithöchste Selbstmordrate. Im letzten Jahr nahmen sich rund 12'000 Südkoreaner das Leben.

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