Nicht alles in der Diplomatie ist diplomatisch. Schon gar nicht, wenn eine Regierung den Botschafter oder die Botschafterin eines fremden Staates ins Aussenministerium aufbietet. Doch was bedeutet dieser Schritt genau?
Schweizer Botschafter sind die höchsten diplomatischen Vertreter im Ausland. Sie repräsentieren dort den Bundesrat und haben besondere Ehrenrechte. Ob die Botschafterin von der Regierung des Gastlands zu einem Gespräch gebeten, förmlich einbestellt oder gar ausgewiesen wird, macht einen grossen Unterschied. Es sagt viel darüber aus, welche Ebene ein Konflikt bereits erreicht hat.
Die sanfteste Form der Kritik ist eine Einladung zum Gespräch. Dabei wird die Schweizer Botschafterin, wie heute in Berlin, höflich zu einem Gespräch gebeten. In der Sprache der Diplomaten bedeutet das: Es soll nicht der Eindruck entstehen, dass es ernsthafte Spannungen zwischen beiden Ländern gibt. Gleichwohl will man von Seiten des Gastgeberstaats gegen aussen signalisieren, dass man einen Vorfall nicht auf sich beruhen lassen will und kann.
Genau das will die Regierung in Berlin im Zusammenhang mit der Verhaftung des Schweizer Spions M. in Frankfurt auch deutlich machen. Denn es steht der Vorwurf im Raum, dass die Schweiz deutsche Beamte ausspionieren liess.
Heute hatten NDB-Chef Markus Seiler und der für den Schweizer Geheimdienst zuständige Verteidigungsminister Guy Parmelin versucht, der Affäre mit Schweigen den Sauerstoff zu entziehen. Anders in Berlin: Dort hat man sich im Aussenministerium offenbar gegen eine diskrete Behandlung entschieden.
Immerhin: Die deutsche Seite hat sich für die mildeste Massnahme entschieden. Eine förmliche Einbestellung des Botschafters wäre darum schon ein wesentlich schärferes Instrument der Diplomatie gewesen. Damit wird auch signalisiert, dass es grössere Verstimmungen zwischen den Staaten gibt. Schliesslich verbliebe nur noch die drastischste Form der Kritik: Das wäre die Anweisung zur Abberufung des Botschafters beziehungsweise dessen Ausweisung.