Jede Revolution hat ihren Schneider. Was die pinken Wollmützen gegen Sexismus und die Guy-Fawkes-Masken gegen Kapitalismus sind, sind in Frankreich die gelben Westen. Was vor rund zwei Wochen als Protest gegen erhöhte Benzinpreise begann, steigert sich mittlerweile zum Aufstand gegen die französische Regierung.
Beim dritten nationalen Aktionstag nahmen nach Angaben des Innenministeriums am Samstag 136'000 Menschen an den Protesten der «Gelbwesten» teil. Dabei eskalierte die Situation zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften. Besonders chaotisch war die Lage in Paris: Randalierer errichteten Barrikaden, zündeten Autos an und warfen Steine auf Fensterscheiben. Ordnungskräfte setzten Tränengas und Wasserwerfer ein.
Heute trifft sich Regierungschef Philippe mit den Gelbwesten
«Les Gilets jaunes triompheront» (dt. «Die gelben Warnwesten werden triumphieren») wurde in dicken schwarzen Lettern an den Triumphbogen gesprüht. Er bleibt erstmal geschlossen: Gelbwesten sind in das Denkmal eingedrungen und enthaupteten unter anderem eine Napoleon-Büste aus Marmor. Ein Millionenschaden. Staatspräsident Emmanuel Macron machte sich vor Ort ein Bild von der Lage. Sein Regierungschef Edouard Philippe wollte sich heute mit Vertretern der Bewegung treffen, diese sagten den Termin aber gestern ab.
Trotz der massiven Gewalt geniessen die Gelbwesten einen hohen Rückhalt in der Bevölkerung. Der Protest folgt Mustern, die in Frankreich üblich sind: Im zentralistischen System hat die Politik – anders als im föderalen System – oft nicht alle Regionen im Blick. Die Landbevölkerung fühlt sich von der Erhöhung der Ökosteuer auf Benzin und Diesel getroffen. In den gelben Westen blockierte sie auch am Montag Strassen und Treibstofflager, weil sie wissen: Die Entscheidung kann genauso leicht, wie sie getroffen wurde, auch rückgängig gemacht werden.
Aufruf zum Gelbwesten-Protest in Deutschland
Aussergewöhnlicher ist, dass sich der Protest ohne Gewerkschaften im Rücken landesweit formiert. Gleichzeitig wandelt sich die Fokussierung auf ein Thema zum grundsätzlichen Protest der Unzufriedenen, die Macrons Rücktritt fordern. Doch die Protestforschung sagt: Um langfristig stabil zu bleiben und ihre Forderungen durchzubringen, muss sich eine Bewegung organisieren und überlegen, wie sie die Leute bei der Stange hält.
Wichtig ist auch nicht nur eine knallige Symbolik, sondern eine Forderung, hinter der sich alle versammeln können. Den Gelbwesten-Protest auf andere Länder auszuweiten, hat vermutlich aus diesem Grund nicht geklappt. Für vergangenen Samstag hatten rechte Aktivisten auch in Deutschland dazu aufgerufen, gelbe Warnwesten anzuziehen. Es kamen nur wenige.
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