Trauer um junge Opfer des Flammen-Infernos in Sibirien
«Mami, wir verbrennen!»

Nach einem Brand in einem Einkaufszentrum der sibirischen Stadt Kemerowo haben Rettungskräfte 64 Tote geborgen. Darunter zahlreiche Familien mit Kindern. Ganz Russland trauert.
Publiziert: 26.03.2018 um 20:40 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 18:15 Uhr
Brand in einem russischen Einkaufszentrum
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Über 60 Tote bei Flammen-Inferno:Brand in einem russischen Einkaufszentrum
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Nach einem Brand in einem Einkaufszentrum der sibirischen Stadt Kemerowo haben Rettungskräfte inzwischen 64 Tote geborgen. Das Feuer erfasste eine Fläche von rund 1600 Quadratmetern.
Foto: Reuters

Es ist Sonntag in der sibirischen Stadt Kemerowo, zahlreiche Familien gehen wie gewohnt mit ihren Kindern ins Kino im Einkaufszentrum «Simnjaja Wischnja» (zu Deutsch die Winterkirsche). Dort nimmt das Verhängnis seinen Lauf: Ein Flammeninferno bricht aus, mindestens 64 Menschen sterben – darunter viele Kinder. Viele gelten noch als vermisst. Die Kinder wollten im Kino die Frühlingsferien einläuten.

Beinahe die ganze Familie von Nadeschda V. ist in den Flammen umgekommen. Tochter Aljona S. (†23) wollte mit Schwiegertochter Elena V. (†30) und den drei Enkelkindern Anna (†7), Artjom (†5) und Roman (†2) ins Kino, wie der «Moskauer Komsomolez» berichtet. Für den zweijährigen Roman war es der erste Kinobesuch – und der letzte.

Aljona S. (†23) starb mit ihrer Familie im Flammeninferno.
Foto: Screenshot VK

Bis zur letzten Minute in Kontakt

Gegen 16 Uhr Ortszeit habe Nadeschda V. einen Anruf von Aljona erhalten: «Mami, die Lichter sind aus, wir verbrennen!» Danach folgten zwei weitere Anrufe, auch an den Vater der Familie: «Ich war bis zur letzten Minute in Kontakt mit Aljona», so Nadeschda. «Wir sterben!», schrie ihre Tochter durch den Telefonhörer. Dann brach die Verbindung ab.

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Der fünfjährige Ratibor und sein Vater Anton starben beim Brand.

Auch Alexander Ananjew verlor beim Brand seine drei Töchter. Die elfjährigen Xenia und Maja sowie die fünfjährige Valeria schauten sich ohne den Vater den Trickfilm an. Als der Vater die Kinder später abholten wollte, roch er zwischen dem zweiten und dem dritten Stock Rauch. Doch weil kein Feueralarm zu hören war, machte er sich zunächst keine Sorgen. Sekunden Später rief ihn Xenia an. Das Mädchen schrie: «Papi, ich glaube wir brennen. Wir können nicht raus.»

Die elfjährige Xenia Ananjewa starb zusammen mit ihren Schwestern Maja und Valeria im Kinosaal. Die Tochter rief den Vater an und schrie: «Papi, ich glaube wir brennen. Wir können nicht raus.»

Ananjew rannte sofort in den vierten Stock, wo er von einem Security-Mitarbeiter angehalten wurde. «Ich sagte ihm, dass meine Kinder da drin sind», wird der Mann von «Moskauer Komsomolez» zitiert. Der Angestellte erwiderte nur: «Wir wissen es. Es sind noch nicht alle evakuiert.» Die Mädchen gelten offiziell noch als vermisst, doch der Vater glaubt nicht daran, dass seine Kinder noch lebend gefunden werden.

Die Bewohner der Stadt sind geschockt, viele legen Blumen und Plüschtiere vor die Brandstelle. Auch der Rest des Landes trauert mit: Es war das schlimmste Brandunglück in Russland seit Jahren. In den sozialen Netzwerken lassen die Menschen ihrem Unmut freien Lauf. Die Leute sollen im Kinosaal offenbar eingesperrt worden sein - ohne jegliche Überlebenschancen.

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Auch zweifeln die Leute an der offiziellen Zahl der Toten und sprechen von mindestens 170 Opfern. Auf Twitter kursieren aufgezeichnete Telefongespräche von Rettungsdiensten. Angeblich sollen bereits in der Nacht auf Montag mindestens 170 Tote ins Leichenhaus gebracht worden sein. Davon seien rund 30 erwachsene Personen gewesen. Der Rest seien Kinder.

Alarmanlage deaktiviert

Die genaue Brandursache ist nicht bekannt. Die Behörden leiteten Ermittlungen wegen «Verletzung der Sicherheitsbestimmungen» ein. Fünf Menschen seien festgenommen worden. Unter den Festgenommenen sei auch der Direktor des Einkaufszentrums und ein Mitarbeiter des Einkaufszentrums, der aus bisher unbekannten Gründen die Alarmanlage deaktiviert hatte.

Kemerowo liegt in Westsibirien, rund 3000 Kilometer von der russischen Hauptstadt Moskau entfernt. Mehr als 500'000 Menschen leben in der Industriestadt im Kusbass, Russlands grösstem Kohlerevier. (szm/man/SDA)

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