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Talentierte Generäle müssen Platz machen für Ja-Sager
Jetzt zerstört Putin aus Angst sein eigenes Militär

Russlands Präsident Wladimir Putin hat konkrete Anforderungen an seine militärische Führung: Statt Talent setzt er lieber auf Loyalität. Damit zerstört er seinen eigenen Militärapparat.
Publiziert: 15.09.2023 um 16:35 Uhr
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Aktualisiert: 15.09.2023 um 17:39 Uhr
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Kremlchef Wladimir Putin ist ein ängstlicher Mann. Vor allem fürchtet er sich vor seinen eigenen Männern.
Foto: IMAGO/SNA

Kremlchef Wladimir Putin (70) hat Angst. Davor, dass jemand aus seinen eigenen Reihen mächtiger ist als er. Davor, dass seine Gefolgschaft nicht loyal genug ist. Davor, verraten zu werden. Deshalb beseitigt er jeden Kritiker, bevor es zu spät ist.

Seit Beginn des russischen Einmarsches in der Ukraine wurden mindestens 12 hochrangige Militärkommandeure ihrer Posten enthoben. Ein Grossteil davon musste gehen, weil sie sich über die russische Militärführung oder die Situation an der Front beklagt hat, wie die amerikanische Zeitung «The Washington Post» berichtet.

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Hochrangige Beamte werden aus dem Militär geschafft

Das bekannteste Beispiel: Wagner-Boss Jewgeni Prigoschin (†62). Nachdem er am 23. Juni einen Aufstand gegen die Kremlführung in Moskau gestartet hatte, fiel er bei Putin in Ungnade. Am 23. August musste er für seinen Ungehorsam mit dem Leben bezahlen: Sein Privatjet stürzte nahe Moskau ab, wer die Verantwortung dafür trägt, ist bis heute ungeklärt. Dass der Kreml seine Finger im Spiel hatte, ist aber naheliegend.

Einen Tag vor der Flugzeugkatastrophe, bei der Prigoschin ums Leben kam, wurde General Sergei Surowikin (56) als Chef der russischen Luftwaffe abgesetzt. Er war ein Verbündeter Prigoschins, der sich als «General Armageddon» einen Namen gemacht hatte. Im Militär war er beliebt, an der Front in der Ukraine hat er immer wieder die richtigen Entscheide gefällt. Er hat die überforderten russischen Streitkräfte aus einer unhaltbaren Position in Cherson zurückgezogen und die gewaltigen Verteidigungsanlagen gestärkt, die die ukrainische Gegenoffensive bisher aufgehalten haben.

Im Juli, wenige Wochen nach der Wagner-Meuterei, wurde Generalmajor Iwan Popow (48), der eine der russischen Elitetruppen in der Ukraine führte, abrupt entlassen, nachdem er die Führung des Verteidigungsministeriums kritisiert hatte. In einer Audiobotschaft, die «Washington Post» vorliegt, beschuldigte er seine Vorgesetzten, «die Armee im schwierigsten und angespanntesten Moment heimtückisch und schändlich zu enthaupten».

Ein weiterer Kommandeur, der ehemalige stellvertretende Verteidigungsminister, Generaloberst Michail Mizinzew (61), der im April entlassen wurde, wurde seit der Meuterei nicht mehr gesehen. Sie alle treten in die Fussstapfen anderer in Ungnade gefallener Generäle wie Generaloberst Andrej Serdjukow (61), Generaloberst Alexander Tschaiko (52) und Generalleutnant Sergej Kisel (52). Sie alle waren Medienberichten zufolge als Strafe für frühzeitiges Versagen im Krieg versetzt worden.

Lieber Loyalität, statt Talent

Was übrig bleibt, ist der schlechte – aber loyale – Rest. Unter anderem der russische Verteidigungsminister Sergei Schoigu (68). Leonid Wolkow (42), der langjährige politische Berater des inhaftierten russischen Oppositionsführers Alexej Nawalny (47), sagte, Putin habe keine andere Wahl, als Schoigu im Amt zu belassen. Denn ein talentierterer Verteidigungsminister wäre eine Bedrohung für den Präsidenten – vor allem, wenn es ihm gelänge, den Krieg zugunsten Russlands zu wenden.

Ein triumphierender, prominenter Militärchef würde eine ähnliche Bedrohung darstellen und möglicherweise die Kriegsbefürworter, die sich um das Symbol Z auf den russischen Panzern geschart haben, aufrütteln, sagte Wolkow. «Schoigu ist unersetzlich, und er ist unersetzlich, weil er sehr schlecht ist», schrieb Wolkow auf der Social-Media-Seite X, früher Twitter.

Damit ist klar: Putin setzt auf Loyalität, statt Können. Das sieht auch Pavel Luzin, Experte für das russische Militär und Senior Fellow der Jamestown Foundation in den USA, so: «Jeder russische General der letzten 20 Jahre ist in erster Linie ein loyaler Bürokrat, der sich an die Regeln der Macht hält. Aber das darf man nicht mit Kompetenz verwechseln», sagte Luzin gegenüber der Zeitung. Das Ergebnis: «Die Armee ist organisatorisch, intellektuell und technisch degeneriert», erklärt er gegenüber der Zeitung.

Ob das Gebälk im russischen Militärkomplex aber so marode ist, dass es zum Kollaps kommt, ist laut Analysten aber unsicher. (chs)

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