Neues Kapitel in einem der mysteriösesten Krimis der italienischen Geschichte? Am 22. Juni 1983 verschwindet Emanuela Orlandi (15) spurlos. Die Schülerin ist Tochter eines Mitarbeiters des Vatikans. Es melden sich angebliche Entführer. Sie wollen Mehmed Ali Agca (60) freipressen. Der türkische Terrorist sitzt wegen eines versuchten Attentats auf Papst Johannes Paul II. in Haft. Andere behaupten, der Teenager sei für Sex-Partys missbraucht und dann getötet worden. Auch die Mafia gerät ins Visier der Ermittler. Emanuela aber bleibt wie vom Erdboden verschluckt. Bis heute.
Am vergangenen Montag machen Restauratoren in der Villa Giorgina, wo die Apostolischen Nuntiatur ihren Sitz hat, einen grausigen Fund. In einem Nebengebäude der Residenz des Schweizer Papst-Botschafters Paul Emil Tscherrig (71) wird ein Boden angehoben. Darunter sind Skelett-Teile versteckt. Noch ist nicht klar, wie alt die menschlichen Überreste sind. Auch das Geschlecht konnte noch nicht festgestellt werden. Möglicherweise handelt es sich sogar um mehr als einen Leichnam.
Der Heilige Stuhl wendet sich an römische Staatsanwaltschaft
Gleich nach dem makabren Knochenfund hat der Heilige Stuhl die Staatsanwaltschaft in Rom gebeten, die Skelette auf DNA-Spuren zu analysieren. Es werden zudem die Schädel-Masse und Zahnstellungen mit den Daten Vermisster verglichen.
Sofort keimt der Verdacht auf, bei den Überresten könnte es sich um die vermisste Emauela Orlandi handeln. Die Leiche könnte aber auch zu einer anderen jungen Frau gehören. Nur einen Monat vor Emanuelas möglicher Entführung verschwand, ebenfalls aus dem Vatikan, die 16-jährige Mirella Gregori. Auch dieses Mädchen tauchte nie wieder auf.
Eltern der Vermissten geben Hoffnung nicht auf
Über ihren Anwalt fordern nun Emanuelas Eltern Aufklärung in Bezug auf den Fund, berichtet «La Repubblica». Immer wieder hatten die Eltern Vermisstenanzeigen aufgegeben, damit ihre Tochter nicht in Vergessenheit gerät – zuletzt vor einigen Monaten.
Doch viel Hoffnung, ihr Kind endlich begraben zu können, haben die Orlandis nicht. Denn es ist nicht das erste Mal, dass menschliche Knochen in Gebäuden des Vatikans entdeckt werden. In den vergangenen Jahrhunderten wurden Tote oft unter den Böden der Häuser bestattet.