In die zurzeit grösste humanitäre Krise weltweit scheint ein kleiner Funke Hoffnung. In Schweden treffen sich diese Woche Regierungsvertreter von Präsident Abed Rabbo Mansur Hadi (73) und Vertreter der Huthi-Rebellen, um über Frieden im Jemen zu diskutieren. Im September waren Friedensgespräche zwischen den schwer verfeindeten Seiten in Genf gescheitert, bevor sie überhaupt begonnen hatten.
Als Zeichen einer «vertrauensbildenden Massnahme» wurden am Montag 50 verletzte Huthi-Rebellen ausgeflogen.
Bomben, Hunger, Cholera
Der Krieg artete 2015 aus, nachdem eine von Saudi-Arabien und der Vereinigten Arabischen Emirate angeführte Militärallianz in den innenpolitischen jemenitischen Konflikt eingriff. Die Allianz unterstützt den Präsidenten, der mit einem Teil der jemenitischen Armee sowie sunnitischen Stammesmilizen kollaboriert.
Auf der anderen Seite kämpfen die schiitischen Huthi-Rebellen, die ebenfalls durch Stammesmilizen, Teile der Armee und den Iran unterstützt werden. Der Krieg forderte bisher mindestens 10'000 Tote. Er droht eine ganze Generation von Kindern zu töten, die mit zahlreichen Gefahren konfrontiert sind, von Bomben über Hunger bis Cholera.
Die jemenitisch-schweizerische Politologin Elham Manea (52), die an der Uni Zürich unterrichtet, beobachtet den Konflikt mit grosser Sorge. Sie beantwortet für BLICK sieben brennende Fragen.
Der Krieg im Jemen ist vor allem ein Krieg zwischen der Regierung und den Huthi-Rebellen. Wer sind die «Guten»?
Leider gibt es in diesem Konflikt keine «guten» Seiten. Alle Konfliktparteien haben schwerwiegende Verstösse gegen das humanitäre Völkerrecht begangen – einige könnten sogar als Kriegsverbrechen geahndet werden. Alle setzen im ganzen Land schwere Waffen ein und greifen auch von Zivilisten bewohnte Gebiete an. Die Luft- und Schiffsblockade der von den Saudis angeführten arabischen Koalition bringt eine Hungersnot, die Huthis hingegen verhindern die humanitäre Hilfe. Es gibt auch schwere Verstösse gegen die Menschenrechte, etwa Verhaftungen, Entführungen, Folterungen von Mitarbeitern von Hilfswerken, Journalisten, Aktivisten und Oppositionellen.
Wer wird den Krieg gewinnen?
Dieser Krieg hat gezeigt, dass keine der Parteien in der Lage ist, den Krieg zu gewinnen. Er führt in eine Sackgasse und lässt das menschliche Leiden immer mehr anwachsen.
Was spielen andere Kriegsteilnehmer wie der IS und Al Kaida für eine Rolle?
Die islamistischen Kämpfer der Al Kaida und des IS haben den Zusammenbruch des Staates ausgenützt und sich in einigen südlichen Provinzen etabliert. Das bedeutet, dass Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate auf Salafisten angewiesen sind, um die Huthi-Milizen zu bekämpfen.
Wie gross sind Ihre Hoffnungen in die Verhandlungen in Schweden?
Zwar finden die Verhandlungen in Schweden nach der Khashoggi-Affäre und auch auf Druck der USA statt, die ein Ende des Krieges fordern. Aber ich bin skeptisch. Präsident Hadi weiss, dass er mit dem Ende des Krieges abtreten müsste. Und die Huthi-Miliz hat grosse Gebiete erobert, die sie nicht einfach zurückgeben wird. Auch gegen eine Entwaffnung wird sie sich wehren.
Wie sieht eine Lösung für Frieden aus?
Der Krieg hat zwei Ebenen: eine regionale und ein lokale. Auf regionaler Ebene braucht es Druck der internationalen Gemeinschaft gegen Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und den Iran, damit sie die Unterstützung der lokalen Kräfte stoppen. Die lokale Ebene ist schwieriger: Es erfordert eine Anerkennung der Wurzeln des Konflikts sowie ein Eingeständnis, dass die herrschenden Eliten in der Regierungsführung versagt haben. Um Vertrauen zu schaffen sowie regionale Bedürfnisse und historische Missstände zu kanalisieren, braucht es ein föderalistisches System und einen verfassungsmässigen Rahmen. Das Wichtigste aber ist, sich mit der Erkennung abzufinden, dass ein vereintes Jemen nicht realistisch ist.
Was ist in Ihren Augen die Aufgabe der Schweiz?
Die Schweiz, genau wie Schweden und das Sultanat Oman, ist in der Lage, eine vermittelnde Rolle zu spielen. Nebst der logistischen Unterstützung für Verhandlungen kann die Schweiz auch als Vorbild für die Einführung eines föderalistischen Systems dienen, das Minderheiten sowie regionale und soziale Ansprüche berücksichtigt.
Wird das Elend bei uns zu wenig wahrgenommen?
Ich habe das Gefühl, dass viele Menschen inzwischen die humanitäre Katastrophe wahrnehmen. Das hat auch zu einer klaren Haltung gegen die Schweizer Regierung geführt, die weiterhin Waffen an kriegsführende Länder liefern wollte.
Die Huthi fühlten sich als schiitische Minderheit im Jemen schon lange politisch, wirtschaftlich und religiös ausgegrenzt. 2014 erobern Huthi-Rebellen grosse Teile des Landes und übernehmen de facto die Macht.
Da die antiwestlich eingestellten Huthi gute Beziehungen zum Iran pflegen, fürchtet Saudi-Arabien, der Erzfeind könnte damit an Einfluss im Jemen gewinnen.
Eine Militärkoalition unter der Führung des sunnitischen Saudi-Arabiens hat deshalb 2015 politisch und militärisch in den Konflikt eingegriffen. Sie kämpfen fast ausschliesslich aus der Luft.
Der Koalition gehören neben Saudi-Arabien, Ägypten, Bahrain, Kuwait, Katar, die Vereinigten Arabischen Emirate, Jordanien, Marokko, Sudan und Senegal an. Logistisch unterstützt werden sie von den Briten, Franzosen und Amerikanern. Menschenrechtsorganisationen werfen beiden Parteien Kriegsverbrechen vor. Im September scheiterten Friedensgespräche, weil die Huthi-Rebellen den Verhandlungen fernblieben.
Die Huthi fühlten sich als schiitische Minderheit im Jemen schon lange politisch, wirtschaftlich und religiös ausgegrenzt. 2014 erobern Huthi-Rebellen grosse Teile des Landes und übernehmen de facto die Macht.
Da die antiwestlich eingestellten Huthi gute Beziehungen zum Iran pflegen, fürchtet Saudi-Arabien, der Erzfeind könnte damit an Einfluss im Jemen gewinnen.
Eine Militärkoalition unter der Führung des sunnitischen Saudi-Arabiens hat deshalb 2015 politisch und militärisch in den Konflikt eingegriffen. Sie kämpfen fast ausschliesslich aus der Luft.
Der Koalition gehören neben Saudi-Arabien, Ägypten, Bahrain, Kuwait, Katar, die Vereinigten Arabischen Emirate, Jordanien, Marokko, Sudan und Senegal an. Logistisch unterstützt werden sie von den Briten, Franzosen und Amerikanern. Menschenrechtsorganisationen werfen beiden Parteien Kriegsverbrechen vor. Im September scheiterten Friedensgespräche, weil die Huthi-Rebellen den Verhandlungen fernblieben.