«Schwule könnten deswegen hingerichtet werden»
Computer erkennt «homosexuelle Gesichter»

Eine neue Software erkennt Schwule anhand von ihrem Gesicht. Gegen den Erfinder ist nun ein Shitstorm ausgebrochen. Homosexuelle fürchten sich vor mehr Diskriminierung.
Publiziert: 11.09.2017 um 18:09 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 22:25 Uhr
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Falls das Gesicht von diesen computergenerierten Durchschnittstypen abweicht, könnte dies ein Hinweis auf Homosexualität sein.
Foto: Michal Kosinski

Steht einem das Schwulsein im Gesicht geschrieben? Ja, meint Michal Kosinski. Der Professor an der Stanford University hat zusammen mit seinem Studenten Yilun Wang eine Gesichtserkennung-Software entwickelt, welche die sexuelle Orientierung anhand des Aussehens erkennt.

Die Trefferquote ist erstaunlich hoch: bei 81 Prozent der Schwulen lag der Rechner richtig. Menschliche Probanden erkannten nur 61 Prozent der Homosexuellen. 

Wenige Stunden nachdem die Studie im «Journal of Personality and Social Psychology» veröffentlicht wurde, gab es einen Shitstorm. Kosinski erhielt sogar Drohungen. Der Vorwurf: Die Software dringe in die Privatsphäre von Menschen ein.

Dabei war es das Ziel des Forschers, mögliche Horrorszenarien der Technologie aufzuzeigen. Menschen könnten anhand von ihrem Aussehen diskriminiert werden, keinen Job oder Wohnung bekommen, warnt der Forscher. 

70 Prozent der Schweizer akzeptieren Ehe für alle

Auch Pink Cross, der Schweizer Dachverband der Schwulen, macht sich Sorgen. «Homosexualität anhand von äusseren Merkmalen erkennen zu wollen, kann zur Diskriminierung führen», sagt Geschäftsleiter René Schegg.

Zwar akzeptiere laut einer Umfrage 70 Prozent der Schweizer die Ehe für alle, doch es gebe immer noch Hassverbrechen gegen Schwule, wie die LGBT-Helpline aufzeigt. Solch eine Gesichtserkennung-Software könnte zu Mobbing am Arbeitsplatz oder in der Schule führen.

Noch schlimmer sei es in Ländern, in denen Homosexualität illegal ist. «Wenn die Software in die Hände der falschen Leute kommt, könnten Schwule ins Gefängnis kommen oder sogar hingerichtet werden.»

Ist Schwulsein genetisch?

Brisant an der Studie: Sie kommt zum Schluss, dass Schwulsein eine genetische Eigenschaft ist. Die Software hat 35'000 Fotos anhand von «geschlechts-untypischen» Merkmalen untersucht. Die Kriterien: Styling, Mimik und Gesichtsproportionen.

Beim letzten Punkt geht die Studie davon aus, dass ein männliches Gesicht mit schmalem Kinn, langer Nase und grosser Stirnpartie eher einem Homosexuellen gehört, wie der «Spiegel» schreibt. Stimmt die Studie, heisst das, dass Homosexualität eine körperliche Eigenschaft ist.

Für viele Schwule steht seit langem fest, dass ihre Sexualität keine Entscheidung, sondern eine natürliche Neigung ist. Doch für diese These gab es bisweilen keine Beweise. (cla)

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