Ruanda als Anfang
Biontechs Impfstoff-Pläne für Afrika

Noch ist es nur ein Modell unter einer Plexiglasscheibe, doch schon bald soll Biontechs erste Produktionsstätte in Afrika im ruandischen Kigali Wirklichkeit werden - und Vakzine auf mRNA-Basis auf dem Kontinent für den Kontinent herstellen.
Publiziert: 24.10.2022 um 13:05 Uhr

Losgehen soll es 2024, hergestellt werden kann dort künftig neben Covid-19-Impfstoff potenziell auch mRNA-Impfstoff etwa gegen Tuberkulose und Malaria im Fall einer Zulassung. Dennoch gibt es auch Kritik an den Afrika-Plänen des in der Pandemie weltberühmt gewordenen deutschen Unternehmens aus Mainz.

Wie die Anlage mit Container-Modulen als Herzstück aussehen und funktionieren soll, erläutert die für den Aufbau in Kigali zuständige Biontech-Managerin Miriam Ostheimer an einem heissen Nachmittag einer Delegation der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer. Ostheimer tut dies nicht auf dem eigentlichen Gelände in einer Sonderwirtschaftszone, in der sich auch schon Volkswagen niedergelassen hat, sondern an einer nahen Hochschule. Auf dem Areal der Produktionsstätte seien gerade schwere Maschinen im Einsatz, heisst es.

Im Dezember gehen die ersten Spezial-Container, sogenannte «BioNTainer», von Irland aus auf den Weg Richtung Afrika. In Ruanda sollen sie im März eintreffen, im Verlauf des Jahres 2024 plant Biontech den Start der Produktion. Zunächst können zwei «BioNTainer» pro Jahr beispielsweise 50 Millionen Dosen des Covid-19-Impfstoffs Comirnaty von Biontech/Pfizer herstellen, perspektivisch soll die Kapazität verdoppelt werden.

ARCHIV - Die «BionTainer» sollen in Zukunft in Afrika eingesetzt werden, um dort damit vor Ort mRNA-Impfstoffe zu produzieren Foto: Boris Roessler/dpa
Foto: BORIS ROESSLER

Die Idee der modularen und damit transportfähigen Anlage mit Containern hatte Biontech im Februar 2022 in Marburg vorgestellt. Dort stehen bereits Prototypen. Die Anlagen verfügen etwa über Reinräume, Luftschleusen für Material und Technik, auch mit sogenanntem Reinstwasser wird gearbeitet, um die Ausrüstung für die Produktion entsprechend zu reinigen.

Wichtig seien bei der Konzeption Schnelligkeit und Flexibilität gewesen, erklärt Ostheimer. Mit vergleichsweise geringem Aufwand könne auf die Produktion anderer mRNA-Impfstoffe umgestellt werden. «Man hat dann die Küche und muss nur die Zutaten wechseln», sagt Ostheimer. Derzeit werde an vielen Ecken parallel gearbeitet, wie etwa Vorgaben der ruandischen Arzneimittelbehörde oder andere Regularien vor Ort eingehalten werden könnten. Sämtliche ruandische Partner seien sehr zielorientiert, lobt Ostheimer.

Biontech betont, dass Ruanda der Auftakt in Afrika sein soll. Im Senegal ist ein weiterer Standort geplant, eventuell wird es noch einen in Südafrika geben. Alle in Afrika hergestellten Impfstoffe seien für Mitgliedsstaaten der Afrikanischen Union bestimmt. In Kigali will das Unternehmen bis Ende 2024 rund 100 Mitarbeiter einstellen. Das Interesse sei gross, für die ersten 24 Stellen seien mehr als 2000 Bewerbungen eingegangen, neun von zehn Bewerbern seien ruandischer Herkunft. Eine zuletzt eingestellte ruandische Mitarbeiterin hat an der Technischen Universität Kaiserslautern studiert, wieder eine Verbindung in das deutsche Bundesland Rheinland-Pfalz, das die Heimat von Biontech ist und bereits seit 40 Jahren eine Partnerschaft mit Ruanda pflegt.

Doch was sagen andere über das Vorhaben der Mainzer in Kigali und darüber hinaus? «Ärzte ohne Grenzen» begrüsst grundsätzlich, dass Biontech Produktionskapazitäten in Afrika aufbaut. Es sei immer positiv, Vakzine dort herzustellen, wo sie gebraucht würden, sagt Impfstoffexpertin Meike Schwarz. «Aber wir hätten uns während der Pandemie auch ein zügigeres Vorgehen, etwa durch einen Technologietransfer an Hersteller im globalen Süden oder die Zusammenarbeit mit dem mRNA Hub gewünscht.»

Schwarz meint damit den von der Weltgesundheitsorganisation WHO in Südafrika aufgebauten mRNA Hub, der sich Technologietransfer auf die Fahnen geschrieben hat. Einer Studie von «Ärzte ohne Grenzen» zufolge wären mehr als 100 Unternehmen im globalen Süden technisch und regulatorisch in der Lage gewesen, eine Impfstoffproduktion aufzubauen, wie Schwarz erklärt.

Auf diese Studie verweist auch Anna Marriott, Expertin für Gesundheitspolitik bei Oxfam. Es gebe in vielen Ländern Afrikas Expertise, die Studie habe vergangenes Jahr acht potenzielle Produktionsstätten dort identifiziert. Sie sagt: «Wäre Biontech dem Aufruf der WHO gefolgt, seine Impfstofftechnologie mit dem mRNA-Hub zu teilen, dann wären jetzt schon Fertigungsanlagen in Afrika in Produktion und zahlreiche andere Produktionsstätten in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen mindestens in Vorbereitung.»

Klar ist, es tut sich auch abseits der Biontech-Pläne einiges in Afrika. Moderna, US-amerikanischer Hersteller des Covid-19-Impfstoffs Spikevax, teilte im März mit, eine Absichtserklärung zum Bau einer Produktionsstätte für mRNA-Impfstoffe in Kenia abgegeben zu haben. Dort sollen mal bis zu 500 Millionen Dosen pro Jahr entstehen können.

Die Weltgesundheitsorganisation gab im Februar auf dem EU-Afrika-Gipfel bekannt, dass mit ihrer Unterstützung in absehbarer Zeit patentfreier mRNA-Impfstoff in sechs afrikanischen Ländern hergestellt werden soll - in Südafrika, wo auch der erste afrikanische Covid-19-Impfstoff entwickelt wird, Ägypten, Kenia, Nigeria, Senegal und Tunesien. Dieser Impfstoff soll 2023 fertig sein. WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus sagte im Februar, die Corona-Pandemie habe gezeigt, wie gefährlich es sei, auf einige wenige Impfstoffhersteller angewiesen zu sein.

(SDA)

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