Eine Schule, eine Krankenstation und sogar eine kleine Kirche: Über Monate haben sich tausende Flüchtlinge im französischen Calais eine eigene Zeltstadt errichtet. Tagsüber normales Leben, in der Nacht der nächste Versuch, durch den Eurotunnel von Frankreich nach Grossbritannien zu gelangen.
Nachdem im Januar bereits ein Teil des Flüchtlingslagers geräumt worden war, soll nun der gesamte südliche Abschnitt des sogenannten «Dschungels» folgen. Laut Präfektur hätten die rund 1000 Flüchtlinge das Areal bis heute Abend verlassen sollen.
Ein Eilantrag hat die heutige Räumung aber verhindert. Die Behörden müssen nun die Entscheidung des Verwaltungsgerichts der Stadt Lille abwarten, sie soll in den kommenden Tagen getroffen werden.
Obergrenzen, Stacheldraht, Räumungen: Die Methoden der Regierungen, um den Flüchtlingsstrom in den Griff zu bekommen, werden immer härter. Mit der Einführung einer Obergrenze von 80 Asylbewerbern pro Tag hat Österreich auf der Balkanroute einen Dominoeffekt ausgelöst.
Mazedonien schliesst Grenze, Slowenien rüstet auf
Die Balkan-Länder fürchten, dass sie sich künftig selbst um die Abgewiesenen kümmern müssen. Deshalb erschweren sie vorsorglich die Einreise. Mazedonien hat die Grenze für Afghanen geschlossen, nur Syrer und Iraker werden durchgelassen. Ausserdem wurde an einigen Stellen ein zweiter Grenzzaun aus Stacheldraht errichtet.
Die Folge: Mehr als 5000 Flüchtlinge sitzen in Griechenland fest. Hunderte afghanische Flüchtlinge versuchten, den Eisenbahngrenzübergang Idomeni-Gevgelija zu stürmen. Die griechische Polizei hat heute Morgen damit begonnen, den besetzten Grenzübergang und das provisorische Lager zu räumen. Die betroffenen Flüchtlinge sollen nun nach Athen zurückgebracht werden.
Slowenien hat aufgerüstet: Soldaten sollen die Polizei ab sofort dabei unterstützen, die Grenze zu Kroatien zu sichern.
Rückgang um fast 40 Prozent
Tatsächlich sank im Januar die Zahl der Flüchtlinge, die über die Balkanroute in die EU zu gelangen versuchten, auf 65'300 – ein Drittel weniger als im Dezember. Allerdings kamen über die Mittelmeer-Route bis jetzt bereits über 100'000 Flüchtlinge nach Europa.
Laut EU-Grenzschutzagentur Frontex sind auch in Griechenland fast 40 Prozent weniger Flüchtlinge angekommen als im Vormonat.
Neben dem strikten Vorgehen der Balkan-Länder führt Frontex den Rückgang auf das schlechte Wetter der letzten Wochen zurück.
Doch der Strom reisst nicht ab: Rund 100'000 Menschen sitzen an der syrisch-türkischen Grenze fest, 200'000 weitere warten in Libyen auf ihre Überfahrt nach Europa. (jvd)