Politiker verhöhnen Schwerbehinderte
Islands Schande

In einer isländischen Bar sind sechs Parlamentarier über Politikerinnen hergezogen. Dummerweise hatten sie nicht bemerkt, dass ein Gast das Gespräch aufzeichnete.
Publiziert: 05.12.2018 um 01:01 Uhr
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Aktualisiert: 05.12.2018 um 11:09 Uhr
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Freyja Haraldsdottir kann wegen ihrer Glasknochenkrankheit nur liegen. Die Politiker äfften sie als Seehund nach.
Foto: Twitter
Guido Felder

Man kennt Island als Insel der unberührten Natur, der tapferen Fussballer, aber auch der Gleichberechtigung. Nun erschüttert ausgerechnet ein Diskriminierungs-Skandal das Vorzeige-Land im Norden Europas.

Beim Feierabendbier haben sechs Parlamentarier die Grenze des Anstands weit überschritten. Ungehemmt zogen sie mit abschätzigen und sexistischen Bemerkungen über Politikerinnen her. Besonders bös zielten sie auf die körperlich behinderte Freyja Haraldsdottir (32), die früher selbst im Parlament wirkte und sich heute als Aktivistin für die Rechte von Behinderten einsetzt.

Behinderte als Seehund nachgeäfft

Dummerweise hatten sie nicht bemerkt, dass ein Gast die Konversation auf seinem Handy aufzeichnete. Auf diesen Aufnahmen ist zu hören, wie die Stammtischrunde ihre behinderte Kollegin als Seehund nachahmt. Freyja Haraldsdottir leidet an der Glasknochenkrankheit und ist auf einen fahrbaren Liegestuhl angewiesen. Mehrere Male sind auf den Aufnahmen auch das Wort «Bitch» (Hure) sowie sexuelle Kraftausdrücke zu hören. 

Die Veröffentlichung dieser Konversation trieb am Wochenende rund 1000 Leute auf die Strasse, eine stolze Zahl für das kleine Land mit nur 340'000 Einwohnern. Sie fordern den Rücktritt der Politiker.

Ex-Ministerpräsident in der Klemme

Die sechs Parlamentarier sind Mitglieder der Opposition – zwei gehören zur Volkspartei, vier zur rechtsorientierten Zentrumspartei. Die Volkspartei, die sich pikanterweise für die Rechte von Behinderten, Kindern und Alten einsetzt, fackelte nicht lange und schloss die beiden aus. Sie werden aber weiterhin als Parteilose politisieren.

Erneut bös in die Klemme gerät Sigmundur David Gunnlaugsson (43) von der Zentrumspartei. Weil er eine Offshore-Firma besass und das verschwiegen hatte, musste er 2016 als Ministerpräsident zurücktreten. Nun macht er wieder eine schlechte Falle. Nach der Veröffentlichung der Aufnahmen behauptete er, die angeblichen Seehund-Geräusche stammten von einem Stuhl, der verschoben werde. Zudem kommentierte er: «Das Schlimmste ist die Tatsache, dass in Island private Gespräche von Politikern abgehört werden.»

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