Lara (14) trauert um ihre beste Freundin Paula
«Am Montag feierte sie noch Geburtstag»

Haltern, eine kleine Stadt im Ruhrgebiet weint um ihre Kinder. Das Joseph-König-Gymnasium trauert noch immer. An Unterricht ist nicht zu denken. Es brennen immer mehr Kerzen für die Opfer des schrecklichen Unglücks.
Publiziert: 26.03.2015 um 00:00 Uhr
|
Aktualisiert: 07.10.2018 um 13:21 Uhr
1/6
Lara (14) trauert um ihre beste Freundin Paula.
Foto: Udo Gottschalk/Express
Von Michael Spillmann aus Haltern

Der Himmel wolkenverhangen, es ist kalt, neblig, trüb. In den Strassen, in den Cafés: verweinte Gesichter. Jugendliche trösten und umarmen sich. Eine kleine Stadt am nördlichen Rand des Ruhrgebiets. Knapp 40 000 Einwohner. Bundesland Nordrhein-Westfalen. Haltern am See im Münsterland weint um seine Kinder. Ein Ort im Ausnahmezustand. 16 Schüler und zwei Lehrerinnen waren an Bord des Todesflugs. Tragisch: Die Plätze für den Spanien-Austausch wurden ausgelost. Über 40 Schüler wollten mit, nur 16 konnten. Das Los entschied über Leben und Tod.

Auf der Treppe zum Joseph-König-Gymnasium flackern immer mehr Kerzen, Blumen werden niedergelegt. «Gestern waren wir viele, heute sind wir allein», steht auf einem Plakat. Dahinter der Pingpong-Tisch, der nun einem Altar gleicht.

Lara (14) steht vor ihrer Schule. Sie sagt: «Meine Freundin Paula war im Flugzeug. Ich kann es nicht fassen. Wir waren zusammen auf der Grundschule. Wir waren gute Freunde, am Montag feierte sie noch Geburtstag.»

An Unterricht ist nicht zu denken, doch alle wollen zusammen sein. Gemeinsam treffen sich Klassen aus der Schule, stehen mit den Lehrern vor dem Blumenmeer, nehmen Abschied, versuchen das Unfassbare zu verstehen. Auch Stefanie Gabler (30) und Tochter Mileena (5) kondolieren: «Wir gehören hier alle zusammen, jetzt trauern wir alle zusammen.»

Der Stadtkern ist klein. Es werden Plakate verteilt, sie hängen in allen Läden. Beim Fischhändler, beim Dönerladen, in der Nähstube. Die Botschaft: «Wir trauern mit allen Angehörigen, die ihre Lieben durch das Unglück des Flugs 4U 9525 verloren haben.» Notfallseelsorgerin Eva-Maria Pauly (70) geht zu ihrem Einsatz. Mit 50 weiteren Freiwilligen an der Schule, vor der Kirche, in der Einkaufspassage. Sie sagt: «Ich weiss nicht, was mich erwartet. So einen Einsatz hatte ich noch nie. Ich muss zuhören, vielleicht einfach nur schweigen.»

Im Rathaus versammelt sich zur gleichen Zeit die Weltpresse. Politiker reden, der Bürgermeister, der Pfarrer. Daneben Schulleiter Ulrich Wessel: «Ich war am Dienstag bis halb zwölf

in der Nacht in der Schule. Später habe ich mich eine halbe Stunde hingelegt, um halb drei war ich wieder vor Ort.» Wessel kämpft mit den Tränen: «Die Schüler malen, schreiben Gedichte – wir versuchen so etwas wie kreative Trauergestaltung. Das ist alles. Ich gebe zu, ein etwas hilfloser Versuch.»

Vor der Kirche steht Ulrich Lehmacher (71). Drinnen brennen Kerzen für die Opfer. «Ich kenne die Familien, ich kannte die Kinder», sagt der Rentner. Vom Drama erfuhr er beim Stadtbummel. «Mein Enkel ist weinend zusammengebrochen, als er die Nachricht hörte. Es ist ein beklemmendes Gefühl», sagt er. Eine Träne kullert die Wange runter. Kollege Herbert Thewes (76) redet weiter: «Die Stadt ist nicht gross, hier kennt man sich. «Das wird Haltern prägen, das braucht lange», sagt Bernhard Bickhove (78).

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?