Katalanen geben Unabhängigkeits-Bewegungen Auftrieb
Ein Vorbild für Separatisten in ganz Europa

Mit einem bedingungslosen Konfrontationskurs erkämpfte sich Katalonien eine Unabhängigkeits-Abstimmung. Mit dieser Taktik könnten sie zur Inspiration für andere Bewegungen werden.
Publiziert: 03.10.2017 um 09:52 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 16:13 Uhr
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15'000 Studenten demonstrierten auf der Strasse.
Foto: JUAN CARLOS CARDENAS
Roman Rey

Katalonien leckt seine Wunden. Ein Tag nach der turbulenten Abstimmung sitzt der Schock gestern noch immer tief. Um das Referendum zu stoppen, waren staatliche Polizisten am Sonntag hart gegen Wähler vorgegangen. Knapp 900 Menschen wurden bei Zusammenstössen verletzt.

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Der katalanischen Regierung zufolge stimmten 90 Prozent für eine Loslösung von Spanien. Doch die Zahl ist mit Vorsicht zu geniessen. Von den 5,3 Millionen Wahlberechtigten sind deutlich weniger als die Hälfte zur Urne gegangen.

Dennoch will Carles Puigdemont (55), Chef der Regionalregierung, in den nächsten Tagen die Unabhängigkeit ausrufen. Und als Protest gegen die Polizeigewalt haben dutzende Organisationen für heute zum Generalstreik aufgerufen.

«Die katalanische Regierung ist auf Konfrontation aus»

Ein Grund für die Eskalation am Sonntag: verhärtete Fronten. Während die Zentralregierung um Ministerpräsident Mariano Rajoy (62) darauf besteht, dass das Referendum illegal sei, pochten die Katalanen auf ihr Recht auf eine Abstimmung – diskussionslos. Auch aus Kalkül, sagt Sabine Riedel, Separatismus-Expertin an der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. «Die katalanische Regierung ist auf Konfrontation aus. Und das schon seit Jahren», sagt sie zu BLICK.

Die Strategie geht auf. Die Sympathien der europäischen Öffentlichkeit liegen nach den Bildern von Prügel-Polizisten bei den Katalanen. Das könnte andere Separatisten-Bewegungen inspirieren. «Die werden sich das abschauen», sagt Riedel. Die Separatisten sind gut vernetzt, unter anderem im EU-Parlament. Dort spannen 35 Vertreter in der Partei Europäische Freie Allianz zusammen.

Auch im Südtirol gibt es Abspaltungsbestrebungen

Ein besonderer Brandherd ist Nordirland. Dort gibt es seit längerem Separations-Bestrebungen, die jetzt wieder aufflammen. «Im Zuge der Brexit-Verhandlungen wird die Bewegung versuchen, sich vom Vereinigten Königreich zu lösen.»

Das Gleiche gilt für die Schotten, die nach dem Brexit in der EU bleiben wollen – aber als eigener Staat. Zuletzt brachten es schottische Bewegungen im Jahr 2014 zu einer nationalen Abstimmung. Doch das Volk sagte: Nay.

Schliesslich gibt es auch im Südtirol zurzeit eine starke separatistische Bewegung. «Eine Unabhängigkeit Kataloniens könnte auch dieses Autonomiemodell gefährden, das bisher als sehr erfolgreich gilt», sagt Expertin Riedel.

Was, wenn sich diese Regionen tatsächlich lösen können? Der frühere katalanische Regionalpräsident Artur Mas glaubt, die EU könne mit 50 bis 70 Mitgliedstaaten funktionieren. Riedel ist skeptisch: «Man müsste zuvor die Union von Grund auf reformieren, das wäre ein völlig neues System.»

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