E-Voting
Bundeskanzler sieht bei E-Voting «vertretbares Risiko»

Bern – Der Schweizer Bundeskanzler Walter Thurnherr hat in einem Zeitungsinterview die elektronische Stimmabgabe als genügend sicher verteidigt. Das Risiko beim E-Voting sei vertretbar. Der Bund wolle die Testversuche in den Kantonen in einen Regelbetrieb überführen.
Publiziert: 28.04.2018 um 05:47 Uhr
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Aktualisiert: 09.10.2018 um 00:50 Uhr
In der Schweiz für E-Voting zuständig: Bundeskanzler Walter Thurnherr. (Archivbild)
Foto: KEYSTONE/ANTHONY ANEX

Mit E-Voting habe es in der Schweiz bis jetzt 200 Versuche gegeben, und es gebe keinen Hinweis darauf, dass etwas nicht korrekt abgelaufen sei, sagte Thurnherr in einem Interview mit der «Neuen Zürcher Zeitung» vom Samstag. Wenn behauptet werde, das Genfer Abstimmungssystem sei gehackt worden, verunsichere das, auch wenn die Behauptung falsch sei.

Jüngste Schlagzeilen über versuchte Manipulationen von Wahlen im Ausland oder über Facebook hätten zu Verunsicherungen geführt, räumte der E-Voting-Verantwortliche beim Bund ein. Die Vorfälle würden aber vor allem die politische Meinungsbildung betreffen, nicht den Wahlvorgang an sich. In der Schweiz habe am 4. März jeder zweite Stimmende, der vom elektronischen Stimmkanal Gebrauch habe machen können, diesen auch genutzt.

Der Bund strebt beim Abstimmen übers Internet ein System an, das eine allfällige Manipulation selber feststellt. In eine solche Anwendung mit vollständiger Verifizierbarkeit habe er mehr Vertrauen als in jedes andere System, das er auf seinem Handy und Computer anwende, sagte Thurnherr. Dabei sei es viel unwahrscheinlicher, dass eine Manipulation unentdeckt bleibe als etwa bei der brieflichen Stimmabgabe.

Der Bund will eine Gesetzesvorlage ausarbeiten, um den heutigen Versuchsbetrieb in den Kantonen in den ordentlichen Betrieb überzuführen. Damit müssten die Kantone nicht mehr für jeden Urnengang eine Zulassung fürs E-Voting beantragen. Die Vernehmlassung dazu will der Bund laut Thurnherr in der zweiten Jahreshälfte starten. Lehne das Parlament die Vorlage ab, bleibe man im Versuchsbetrieb, erklärte Thurnherr.

Jüngst ist wegen Bedenken zu Kosten und Sicherheit Kritik an der elektronischen Stimmabgabe lauter geworden. Das Urner Kantonsparlament lehnte die Einführung von E-Voting im März deutlich ab. Nationalrat Franz Grüter (SVP/LU) reichte eine parlamentarische Initiative für ein Moratorium beim E-Voting ein und kündigte die Lancierung einer Volksinitiative gegen die elektronische Stimmabgabe an.

Bei der Abstimmung vom 10. Juni werden schweizweit voraussichtlich rund 114'000 in der Schweiz wohnhafte Stimmberechtigte elektronisch abstimmen können. Diese sind in den Kantonen Neuenburg, Basel-Stadt, Genf, St. Gallen und Freiburg wohnhaft. Hinzu kommen rund 79'000 Stimmberechtigte im Ausland aus den Kantonen Bern, Freiburg, Luzern, Basel-Stadt, Neuenburg, Genf, St. Gallen und Aargau.

Nach dem Willen des Bundesrats soll E-Voting bis 2019 von einer Mehrheit der Kantone angeboten werden. Derzeit sind in der Schweiz zwei E-Voting-System im Einsatz. Die Post will ihre Anwendung so weit entwickeln, dass noch im laufenden Jahr die Anforderungen für die Zulassung von 100 Prozent der Stimmberechtigten erfüllt sind. Im Einsatz ist ausserdem die Genfer E-Voting-Lösung «CHVote».

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