Der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine flammt neu auf, droht nun sogar zu explodieren. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hat das Kriegsrecht in Kraft gesetzt. Poroschenko habe das entsprechende Gesetz am Mittwoch unterzeichnet, teilte sein Sprecher auf Facebook mit. BLICK beantwortet die wichtigsten Fragen zur Krise.
Warum verhängt Poroschenko den Ausnahmezustand?
Der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine flammt neu auf. Am Sonntag legte sich ein russischer Tanker quer an die Strasse von Kertsch und versperrte den Ukrainern den Zugang zu ihren im Asowschen Meer gelegenen Häfen. Durchkommen: unmöglich. Drei ukrainische Marineschiffe wagten das Manöver. Die russische Küstenwache schoss auf sie wegen der vermeintlichen Grenzverletzung.
Mehrere ukrainische Marinesoldaten wurden dabei verletzt, insgesamt 24 Besatzungsmitglieder festgenommen. Die Ukrainer werfen Moskau «Aggression» vor. Noch am Montag kam das Parlament zusammen, um das Ausrufen des Kriegsrechts zu diskutieren. Russland dagegen sieht in Poroschenkos Handeln eine Absicht, um von den bevorstehenden Wahlen im März 2019 abzulenken. «Er muss wegen seinen schlechten Umfragewerten Hindernisse für die Opposition schaffen», sagte Wladimir Putin am Mittwoch.
Warum eskaliert es ausgerechnet jetzt?
Putin zettelt den Konflikt laut Experten an, um von seinem innenpolitischen Machtverlust abzulenken. Denn: Er verliert den Rückhalt in der Bevölkerung. Schuld an den miesen Umfragewerten ist vor allem seine Rentenreform, mit der das Rentenalter um fünf Jahre angehoben wurde (auf 63 Jahre für Frauen, auf 65 Jahre für Männer). Zudem testet er mit der Provokation offenbar die Grenzen gegenüber dem Westen aus und will möglicherweise Einfluss auf die ukrainischen Wahlen nehmen.
Was bedeutet das ukrainische Kriegsrecht?
Das Militär darf dadurch unter anderem:
- Ausgangssperren verhängen
- Wohnungsdurchsuchungen und Verkehrs- und Personenkontrollen vornehmen
- In Kampfgebieten Polizeiaufgaben übernehmen
Für Verteidigungszwecke kann Eigentum beschlagnahmt und die Produktion von Fabriken umgestellt werden. Während des Kriegsrechts kann zudem die Pressefreiheit eingeschränkt werden. Möglich sind auch Kontrollen oder Einschränkungen bei Kommunikationsmitteln wie Telefon oder Internet. In dieser Zeit kann das Parlament nicht aufgelöst werden, auch wenn dessen Vollmachten auslaufen. Verfassungsänderungen, Parlaments- oder Präsidentenwahlen, Referenden und Streiks sind verboten.
Wie und wo gilt das Kriegsrecht?
Das Kriegsrecht gilt seit Mittwoch für 30 Tage – also bis zum 27. Dezember. Allerdings nur in den 10 Regionen, die an Russland und die Moldau grenzen. Das ist auch eine Schlappe für Präsident Poroschenko: Er wollte den Ausnahmezustand eigentlich für 60 Tage im ganzen Land.
Wer war beim Zwischenfall im Recht?
Das ist eindeutig, wenn man die völkerrechtswidrige Annexion der Krim nicht anerkennt: Russland verletzt das 2003 beschlossene Durchfahrtsrecht und muss ukrainischen Schiffen die Durchfahrt vom Schwarzen ins Asowsche Meer erlauben.
Kommt es zum offenen Krieg?
Unwahrscheinlich. Die russische Seite möchte die Ukraine in die Enge treiben und politischen sowie militärischen Druck ausüben. Finanzielle Verluste und tote Soldaten würden der Zustimmung von Putin aber schaden. Deswegen will Russland eigentlich keinen Krieg – die Provokation riskiert der Kreml trotzdem, weil es die ukrainische Marine ohnehin nicht mit der russischen aufnehmen kann.
Wer könnte die Streithähne am ehesten beruhigen?
Der Westen könnte die Sanktionen verschärfen oder den Bau der deutsch-russischen Pipeline Nord Stream 2 einstellen. Beides sind aber umstrittene Massnahmen. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel möchte gern durch das Normandie-Format mit Frankreich zwischen den beiden Ländern vermitteln. Die Russen sind bislang allerdings nicht bereit, darauf einzusteigen.