Facebook weiss viel über seine Nutzer. Das allein ist keine Überraschung. Dass das soziale Netzwerk aber viel mehr als nur Posts und Likes sammelt und speichert, wird vielen erst jetzt langsam klar. Die gute Nachricht ist, dass jeder registrierte Nutzer einen grossen Teil dessen, was Facebook über ihn weiss, einsehen kann.
Grenzenlose Sammelwut
Über die unscheinbare Schaltfläche «Lade eine Kopie deiner Facebook-Daten herunter» in den allgemeinen Kontoeinstellungen kann man ein Archiv seiner persönlichen Daten auf der Seite herunterladen.
Dort wird dann ersichtlich, wie viel die Datenkrake von seinen Nutzern speichert. Unter den gesammelten Daten sind nämlich nicht nur die persönlichen Aktivitäten auf dem Netzwerk, sondern auch alle Kontakte im Adressbuch, eine Liste der Werbekunden, mit denen die Kontaktinfos geteilt wurden, und zumindest von Android-Usern sogar detaillierte Protokolle aller Anrufe und aller gesendeten und erhaltenen Nachrichten.
«Sie haben mein Telefon geplündert!»
Viele Nutzer beschweren sich nun darüber, dass sie über das Ausmass der Daten-Sammelwut nur ungenügend aufgeklärt wurden. «Sie haben mein Telefon geplündert. Sie haben sogar die Nummern von Leuten, die gar nicht auf Facebook sind», meint eine Userin auf Twitter.
Ein anderer Nutzer findet das Ganze eher gruselig: «Facebook hat jede Textnachricht, die ich seit 2007 gesendet habe. Schreibt ihr in Chats über Sex? Private Angelegenheiten? Medizinische Probleme? Facebook hat es gespeichert.»
EU-Kommissarin sieht demokratische Wahlen bedroht
Auch bei der Europäischen Union ist man alles andere als begeistert über den Datenskandal. Die Justizkommissarin Vera Jourová warnte in einem Schreiben an Facebook davor, dass der Datenmissbrauch negative Folgen für demokratische Wahlen haben könnte.
Sie wirft dem sozialen Netzwerk vor, das Verhältnis zur EU beschädigt zu haben und fordert das Unternehmen auf, ihr bis in zwei Wochen besser zu erklären, wie die Daten von Facebook-Nutzern ohne deren Wissen in die Hände Dritter gelangen konnten.
Zuckerberg entschuldigt sich, Facebook nicht
Die Reaktion des sozialen Netzwerks auf die Kritiken fällt gemischt aus. Einerseits wurden in deutsch- und englischsprachigen Printmedien ganzseitige Inserate gekauft, in denen sich der Gründer und CEO Mark Zuckerberg bei den Nutzern für den Vertrauensbruch entschuldigt.
«Es ist unsere Verantwortung, deine Informationen zu schützen. Wenn wir das nicht können, haben wir diese Verantwortung nicht verdient», schreibt er in den Inseraten. «Ich verspreche, dass wir unsere Arbeit in Zukunft besser machen.»
Andererseits schreibt das Unternehmen in einem Blogbeitrag süffisant, dass die Nutzer ja explizit zustimmen mussten, damit die Daten gespeichert werden konnten. Zudem sei es sehr einfach, diese Funktionen wieder auszuschalten.
Account löschen ist kompliziert
Viele Nutzer haben nach den Enthüllungen der letzten Tage genug und wollen ihr Konto löschen, wie der Erfolg der #deletefacebook-Bewegung zeigt. Das ist aber nicht ganz einfach, denn Facebook hat diese Option gut versteckt. Man kann die Schaltfläche nur finden, wenn man in der Schnellhilfe «Konto löschen» ins Suchfeld eingibt.
Das Konto wird dann aber nicht sofort gelöscht. Facebook beginnt erst nach 14 Tagen Wartefrist damit, die Daten zu löschen. Danach kann es nochmals bis zu 90 Tagen dauern, bis alle Daten komplett gelöscht sind. Dann sollten alle ihre persönlichen Daten und alle Protokolle vom sozialen Netzwerk verschwunden sein – das verspricht zumindest Facebook. (krj)