Darum sind Gewalt-Videos erlaubt und Nippel verboten
Das steht im geheimen Facebook-Regelbuch

Warum sind üble Drohungen in Ordnung, nackte Brüste aber nicht? Ein Blick in interne Dokumente legt das komplizierte Facebook-Regelwerk frei.
Publiziert: 22.05.2017 um 13:54 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 16:23 Uhr
Mit wachsamem Auge kontrollieren Moderatoren die Einträge. Viele Äusserungen von Nutzern entstünden aus einer Wut heraus, schreibt Facebook in einem internen Dokument.
Foto: Reuters
Andrea Cattani

Versteckt gefilmte Aufnahmen einer Prügel-Attacke, eine im Livestream übertragene Vergewaltigung oder ein Handyvideo eines Mordes – wer will, findet auf Facebook die abscheulichsten Bilder. Denn bisher waren die Richtlinien, was auf der Social-Media-Plattform erlaubt ist und was nicht, ziemlich schwammig – bis jetzt.

Die britische Zeitung «The Guardian» hatte erstmals Zugriff auf Dutzende Dokumente und Schulungsunterlagen, in denen Facebook intern die Regeln auf der eigenen Seite festlegt. 

4500 Moderatoren für Milliarden User

Knapp zwei Milliarden Menschen sind mittlerweile auf Facebook registriert. Ihnen gegenüber stehen etwa 4500 sogenannte «Moderatoren», die damit beauftragt sind, fragwürdige Inhalte zu überprüfen.

Ihr Job gleicht einer Herkules-Aufgabe. Zwar gab Facebook kürzlich bekannt, dass die Zahl der Moderatoren massiv aufgestockt werden sollte. Trotzdem ist ihr Berg an Arbeit kaum zu bewältigen.

Pro Fall blieben den Moderatoren «gerade einmal zehn Sekunden», wird ein Mitarbeiter in den «Facebook Files» zitiert. Doch wann greifen die Facebook-Bewacher eigentlich genau ein?

Das sind die Facebook-Regeln

Aufruf zur Gewalt
Ein grosses Problem auf Facebook sind wütende Kommentare von Nutzern, die oft im Aufruf zur Gewalt münden. Die Seite unterscheidet hier zwischen glaubwürdigen und unrealistischen Drohungen. «Jemand sollte Trump erschiessen» ist demnach für Facebook eine ernst zu nehmende Äusserung und sollte gelöscht werden. Vielfach werden Drohungen wie «Stirb doch!» aber als Teil einer frustrierten Überreaktion der User angesehen, weshalb sie als unglaubwürdig eingestuft werden und auf der Seite bleiben.

Gewalt-Videos
Aufnahmen von gewalttätigen Szenen – egal, ob gegen Mensch oder Tier – werden auf Facebook in der Regel toleriert. Die Begründung: Die Bilder können «das Bewusstsein für Missstände fördern». In den Facebook-Dokumenten werden Mitarbeiter aber aufgefordert, Gewalt-Videos am Anfang nötigenfalls mit Warn-Hinweisen zu versehen. Werden zudem Minderheiten bedroht oder diskriminiert, ist die Aufnahme ebenfalls nicht zulässig.

Sexuelle Inhalte
Die Verbannung von Nippelbildern auf seiner Seite hat Facebook in der Vergangenheit viel Unverständnis eingebracht. Tatsächlich bleibt der Umgang mit sexuellen Inhalten, Nacktbildern und erotischen Darstellungen auf der Plattform weiterhin undurchsichtig. Entschieden vorgehen will Facebook hingegen gegen sogenannte «Rache-Pornos» – also intime Aufnahmen, die gegen den Willen einer Person veröffentlicht werden.

Grauzonen gibt es immer

Die Chef-Überwacherin bei Facebook heisst Monika Bickert. Für sie ist die Arbeit der Moderatoren eine ständige Gratwanderung. «Egal, wie wir die Regeln auslegen, es wird immer Grauzonen geben.» Nur schon die Unterscheidung, was Satire ist und was verboten gehört, sei extrem anspruchsvoll.

Bickert wehrt sich deshalb auch gegen die Forderung, dass Facebook stärker für die Inhalte auf der Seite verantwortlich gemacht werden soll: «Wir stellen zwar die Technologie für die Menschen zur Verfügung. Was die Leute damit machen, bestimmen wir nicht.»

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