Beide mit Unterstützern
Wirds ein Zweikampf zwischen Sunak und Johnson?

Im Rennen um die Nachfolge der scheidenden Premierministerin Liz Truss kristallisiert sich in der Tory-Fraktion ein Favorit heraus. Aber auch ein alter Bekannter könnte wieder zuschlagen.
Publiziert: 22.10.2022 um 16:52 Uhr

Ex-Finanzminister Rishi Sunak ist nach Zählung britischer Medien der erste mögliche Kandidat, der die notwendige Zahl an Unterstützern unter den konservativen Abgeordneten hinter sich vereinigen kann. Um ins Rennen für den Spitzenjob zu gehen, brauchen Kandidaten den Rückhalt von mindestens 100 Parlamentariern. Noch bis Montagnachmittag können Nominierungen eingehen.

«Es sind schwierige Zeiten und wir brauchen eine Führung, die der Aufgabe gewachsen ist, deshalb unterstütze ich Rishi», sagte der frühere Vize-Premier Dominic Raab. Sunak habe einen klaren Plan, wieder finanzielle Stabilität in Grossbritannien einkehren zu lassen und nach dem Chaos an den Finanzmärkten das Vertrauen in die britische Wirtschaft zurückzugewinnen.

Sunak hatte wiederholt vor Truss gewarnt

Sunak wird von vielen zugute gehalten, dass er vor genau jenem Chaos, das Truss mit ihrer Wirtschaftspolitik an den Finanzmärkten ausgelöst hat, im Wahlkampf gegen sie vor wenigen Wochen wiederholt gewarnt hat. Sunak war bereits bei seiner Kandidatur für die Nachfolge von Ex-Premier Boris Johnson der Favorit der Fraktion im Unterhaus, scheiterte aber gegen Truss bei der Abstimmung in der Parteibasis.

Ex-Finanzminister Rishi Sunak ist Favorit – aber auch Boris Johnson könnte noch ein Wörtchen mitreden.
Foto: AFP
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Truss war am Donnerstag als Premierministerin mit der kürzesten Amtszeit jemals zurückgetreten, nachdem sich ihre Wirtschaftspolitik als unhaltbar erwiesen und sie zwei wichtige Kabinettskollegen verloren hatte. Die Partei hat ein Schnellverfahren angekündigt, so dass spätestens am kommenden Freitag feststehen soll, wer künftig an der Spitze der britischen Regierung stehen wird.

Johnson könnte Sunak gefährlich werden

Als gefährlichster Rivale für Sunak gilt der skandalgeplagte Boris Johnson, der erst vor wenigen Wochen aus dem Amt ausgeschieden war. Johnson kehrte am Samstag mit seiner Familie aus einem verkürzten Karibikurlaub nach London zurück und soll Verbündeten zufolge in den Startlöchern für eine Kandidatur stehen. Ein Statement von ihm selbst wurde am Wochenende mit Spannung erwartet. Mehrere Kabinettsmitglieder, darunter der Brexit-Hardliner Jacob Rees-Mogg, sprachen sich bereits für das Projekt «Bring Back Boris» aus. Nur Johnson könne als begnadeter Wahlkämpfer die konservative Partei aus dem Sumpf katastrophaler Umfragewerte befreien, so ihr Kalkül.

Berichten zufolge soll er genügend Rückhalt in seiner Fraktion für eine erneute Kandidatur haben. Sowohl die BBC als auch der Sender Sky News berichteten am Samstag übereinstimmend unter Berufung auf eine Johnson nahestehende Insider-Quelle, dieser habe die Schwelle von 100 Unterstützern zusammen und könne damit antreten. Dies unterscheidet sich allerdings deutlich von den Zählungen der BBC und weiterer Medien, die auf bislang erst rund 50 öffentliche Unterstützer für Johnson kommen.

Allerdings hängen die zahlreichen Skandale Johnson nach - und könnten sogar für sein politisches K.o. sorgen: Derzeit läuft noch eine Untersuchung, ob Johnson in der «Partygate»-Affäre das Parlament belogen hat. Kommt der zuständige Ausschuss zu dem Schluss, dass dies der Fall war, könnte Johnson sogar sein Mandat als Abgeordneter verlieren. Selbst alte Verbündete wie der «Telegraph»-Redakteur Charles Moore schrieb in einem Kommentar, nun sei «nicht die Zeit für Boris». Es sei zu früh für ein Comeback. Nun müsse erst einmal Rishi Sunak für Ordnung sorgen. Auch Ex-Brexit-Minister und frühere Johnson-Vertraute David Frost schloss sich dem Sunak-Lager an.

«Grosse Teile der Partei haben ihre Sinne verloren»

Der Fernsehmoderator Andrew Neil schrieb in der «Daily Mail», es sei Zeit, dass die Tories die Interessen des Landes vor jene ihrer Partei stellten. «Inzwischen zeigt die Idee, dass Johnson von einigen Tories als ernsthafte Alternative angesehen wird, nur, wie sehr grosse Teile der Partei ihre Sinne verloren haben.»

Als Dritte im Rennen ist die für Parlamentsfragen zuständige Ministerin Penny Mordaunt (49), die bereits am Freitag ihre Kandidatur offiziell machte. Den Zählungen britischer Medien zufolge liegt Mordaunt aber hinsichtlich ihrer öffentlichen Unterstützer bislang weit abgeschlagen hinter Sunak und Johnson. Schaffen weder Johnson noch Mordaunt bis Montag die notwendige Schwelle, könnte Sunak bereits am Montag als nächster Premier feststehen.

Erhalten mehr als zwei Kandidaten die nötigen Unterstützungen von 100 Abgeordneten, soll bei Abstimmungen in der Fraktion der Kreis verkleinert werden. Gibt es danach noch zwei Finalisten, kann die Parteibasis im Laufe der Woche in einem Online-Votum abstimmen.

Die Opposition fordert unterdessen vehement eine sofortige Neuwahl, doch die regierende Tory-Partei sitzt am längeren Hebel und kann den Zeitpunkt für die nächste Wahl - bis spätestens Anfang 2025 - relativ frei bestimmen. Daher gilt eine Neuwahl vorerst als unwahrscheinlich.

(SDA)

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