Barcelona ist eine gespaltene Stadt – der Präsident des Schweizer Klubs hat eine klare Meinung
«Katalonien ist allein nicht überlebensfähig»

Heute ist in Spanien Tag der Entscheidung. Am Abend könnte Katalonien die Unabhängigkeit ausrufen. Was dann passiert? Unklar! Schweizer Touristen und Auswanderer sind in Sorge.
Publiziert: 09.10.2017 um 23:52 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 17:43 Uhr
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Am Sonntag gingen Tausende in Barcelona für Spaniens Einheit auf die Strasse.
Foto: afp
Michael Sahli, Barcelona

Es fühlt sich fast an wie Normalität in Barcelona. Touristenmassen schieben sich an den Sehenswürdigkeiten vorbei. Als gäbe es keine Staatskrise! Zwischen den Selfiesticks: bewaffnete Sicherheitskräfte, viele mit Maschinenpistolen. Sie bewachen neuralgische Punkte. Warten ab, was passiert. Mittendrin: Schweizer Touristen und Auswanderer.

Christof Täschler (45) besucht die Stadt mit seinem Sohn Bela (8): «Wir wollen fünf Tage bleiben», sagen die Stadtzürcher entspannt. Ein Verschieben der Reise stand nicht zur Debatte: «Wenn es Streik gibt, bleiben wir halt ein bisschen länger.» Nur Sohn Bela sorgt sich: «Fliegt der FC Barcelona aus der spanischen Liga, gibt es keine Champions-League-Spiele mehr!»

«Hätten wir nicht schon gebucht, wir wären wohl nicht gekommen!»

Familie Dreyer aus Kloten ZH posiert gerade vor der weltberühmten Kirche Sagrada Família. «Wegen der Grossdemonstration vom Sonntag kam unser Car nicht zum Hotel durch», so Papa Werner (51). Michelle Dreyer (48) hat Bedenken, was passiert, falls Katalanen-Präsident Puigdemont heute die Unabhängigkeit ausruft: «Hätten wir nicht schon gebucht, wir wären wohl nicht nach Barcelona gekommen!»

Dann stürmt Reiseleiterin Romina Princep (38) auf den Reporter zu. «Ich will schwer hoffen, dass heute Abend auch etwas passiert! Die sind anders als wir! Wir gehören nicht zu denen», meint sie. Die – das sind die Spanier. Taxifahrer Shahzal Ahmed (37) mischt sich ein und widerspricht: «Wir sind ein Land, eine Familie!»

«Sämtliche Infrastruktur gehört dem Staat»

Auch die Schweizer Auswanderer sind uneins. Der Thurgauer Bruno Wiget (50) ist Präsident des Schweizer Klubs in Barcelona. Er findet deutliche Worte: «Eigentlich gehörte Katalanen-Präsident Puigdemont hinter Gitter, da er eine Anordnung des höchsten spanischen Gerichts gebrochen hat.» Ihm habe es ob der politischen Querelen richtig «abgelöscht», sagt Wiget. Im Falle einer einseitigen Abspaltung befürchtet er Probleme: «Katalonien ist momentan nicht allein überlebensfähig. Strom- und Schienennetz, Flughafen und andere Infrastruktur gehören dem Staat.»

Stefania Zanier (50), aus Basel nach Katalonien ausgewandert, sieht das anders: «Unsere Region wird von der Zentralregierung stiefmütterlich behandelt. Wir zahlen mehr – und bekommen weniger.» Ihr Worst-Case-Szenario: «Sollte Madrid versuchen, die Unabhängigkeit zu verhindern, werden Millionen auf die Strasse gehen!»

Katalonien will sich von Spanien abspalten. Gespalten ist bisher nur die eigene Bevölkerung.

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