Austritt aus der EU wird teuer
Briten müssen mindestens bis 2020 nachzahlen

Grossbritannien kommt der Austritt aus der EU teuer zu stehen: Laut Einschätzung des EU-Haushaltkommisars Günther Oettinger müssen die Briten auch nach dem Austritt noch Zahlungen an die EU leisten. Derweil zeigt eine neue Umfrage, dass die Briten langsam an der Brexit-Strategie von Premierministerin Theresa May zu zweifeln beginnen.
Publiziert: 07.08.2017 um 16:04 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 13:23 Uhr
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Theresa Mays Brexit-Strategie wird gemäss Umfrage von immer mehr Briten angezweifelt.
Foto: Geert Vanden Wijngaert
So viel kostet der Brexit
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Denkfabrik in Brüssel hat gerechnet:So viel kostet der Brexit

Zahlungen für langfristige Programme

Auch nach dem Austritt im Jahr 2019 müssten die Briten noch für langfristige Programme zahlen, die vor dem Brexit-Beschluss vereinbart wurden, sagte Oettinger der deutschen «Bild«-Zeitung (Montagsausgabe). Daran seien sie gebunden.

»London wird also mindestens bis 2020 weiter Geld nach Brüssel überweisen müssen.» Langfristig fehlten durch den Brexit zehn bis zwölf Milliarden Euro pro Jahr im EU-Haushalt, sagte Oettinger. Das solle durch «einen Mix kompensiert werden, also durch Einsparungen und höhere Beiträge der Mitgliedsländer«. Auf Deutschland «könnte ein überschaubarer einstelliger Milliardenbetrag zusätzlich zukommen», fügte der EU-Kommissar hinzu.

Zugleich sprach sich der Politiker dafür aus, «sämtliche Beitragsrabatte für EU-Staaten» abzuschaffen. Sie seien vor Jahrzehnten eingeführt worden, weil Grossbritannien auf einem Rabatt bestanden habe. «Wenn diese 'Mutter aller Rabatte' durch den Brexit wegfällt, müssen auch alle anderen Beitragsvergünstigungen gestrichen werden«, forderte Oettinger in der Zeitung. «Das wäre eine erhebliche Verwaltungsvereinfachung und würde den bisherigen Kuhhandel bei Haushaltsverhandlungen beenden.»

Summen als Streitpunkt

Die EU verlangt von Grossbritannien, eingegangene finanzielle Verpflichtungen zu erfüllen - selbst über das Austrittsdatum Ende März 2019 hinaus. Bisher hat London noch nicht einmal grundsätzlich anerkannt, dass es zu solchen Zahlungen verpflichtet ist. In Regierungskreisen wurde auch noch nie eine Summe genannt.

Einem Zeitungsbericht zufolge gibt es im Streit um die Brexit-Rechnung weiter keine Annäherung zwischen London und Brüssel: Die britische Regierung ist laut «Sunday Telegraph» zwar bereit, bis zu 40 Milliarden Euro an die EU zu zahlen. Jedoch ist dies ist deutlich weniger als von Brüssel verlangt. Zudem will London dem Bericht zufolge nur dann auf die finanziellen Forderungen der EU eingehen, wenn die Zahlungen Teil der Verhandlungen über die künftigen Beziehungen sind.

Zweifel an Theresa Mays Brexit-Strategie wachsen

Mit Blick auf den Brexit verlieren die Briten laut einer Umfrage zusehends das Vertrauen in eine erfolgreiche Verhandlungsstrategie von Premierministerin Theresa May. 61 Prozent von 2000 Befragten sind einer am Montag veröffentlichten Studie des Instituts ORB zufolge nicht mit Mays Vorgehen beim angestrebten Austritt aus der EU einverstanden.

Die Daten wurde Anfang des Monats erhoben. Ein Vergleich mit den Befragungen der beiden Vormonate zeigt, wie stark der Rückhalt der Regierungschefin bröckelt: Im Juli waren 56 Prozent unzufrieden mit ihrer Verhandlungsstrategie, im Juni 46 Prozent.

Wahlschlappe Mays belastet Vertrauen

May hatte die Briten am 8. Juni zu den Wahlurnen gerufen, um eine stärkeres Mandat für die Brexit-Verhandlungen mit der EU zu erhalten. Bei der vorgezogenen Neuwahl verloren die Konservativen aber ihre absolute Mehrheit im Unterhaus und sind nun auf Unterstützung der nordirischen Partei DUP angewiesen.

Nach Einschätzung des ORB hat die Wahlschlappe entscheidend zur Erosion des Vertrauens in die Premierministerin beigetragen. Nur noch 35 Prozent der Befragten erwarten, dass die Regierungschefin bei den Brexit-Gesprächen das Beste für Grossbritannien herausholen wird.

Die Scheidungsgespräche zwischen London und Brüssel sind sehr holprig angelaufen: Bislang ungelöste Streitpunkte sind unter anderen gegenseitige finanzielle Verpflichtungen und der Status von Millionen Briten und EU-Bürgern im jeweils anderen Gebiet.

Erst wenn diese Themen geklärt sind, soll über die Handelsbeziehungen nach dem Brexit verhandelt werden. Dieses Thema ist von besonderer Bedeutung für das Vereinigte Königreich, da es den EU-Binnenmarkt und die Zollunion mit dem geplanten EU-Austritt am 29. März 2019 verlassen will.
(SDA)

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