Ana (24) leidet an Mikrozephalie
«Die Krankheit ist kein böses Monster»

Fast alle Menschen mit Mikrozephalie bleiben ihr Leben lang auf dem Niveau eines kleines Kindes. Doch es gibt auch Ausnahmen.
Publiziert: 06.02.2016 um 16:14 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 19:02 Uhr
Als kleines Mädchen musste Ana starke Medikamente nehmen.
Foto: Ana Carolina Caceres

Für die Mutter waren die Worte des Arztes wie ein Schlag ins Gesicht. Kurz nach der Entbindung sagte er zu ihr: «Ihre Tochter wird nie gehen oder sprechen können. Sie wird dahinvegetieren bis sie stirbt.»

Die Diagnose: Mikrozephalie. Die kleine Ana ist mit einem ungewöhnlich kleinen Kopf zur Welt gekommen. Eine Fehlbildung, vor der sich heute die ganze Welt fürchtet: Das Zika-Virus, das sich aktuell in 26 Ländern ausbreitet, kann sie nach aktuellem Stand auslösen.

Doch der Arzt irrte gewaltig. Ana ging zur Schule, später besuchte sie die Uni. Heute ist Ana Carolina Caceres 24 Jahre alt. Die Brasilianerin ist Journalistin, Bloggerin und Autorin eines Buches. Darin beschreibt sie ihr Leben mit Mikrozephalie. «Ich will Menschen wie mir eine Stimme geben», sagt sie gegenüber der BBC.

Heute ist Ana Carolina Caceres 24 Jahre alt, Journalistin und Bloggerin.
Foto: Ana Carolina Caceres

Menschen wie sie, das sind Mädchen und Buben mit kleinen Gehirnen. Die Folge: Fast alle sind geistig stark behindert, wenn sie das erste Lebensjahr überhaupt überleben. Viele bleiben ihr Leben lang auf dem Niveau eines kleinen Kindes. Nur wenige lernen mühsam das Sprechen, Bewegungen und Koordination. Häufig sind Krampfanfälle, Verzerrungen im Gesicht, Hyperaktivität - intellektuell und emotional bleiben sie stark zurück.

Operationen und Medikamente

Ana ist eine der wenigen Ausnahmen. Doch auch sie sagt: «Mein Leben ist nicht einfach.» Die Situation sei für die ganze Familie sehr belastend gewesen. Auch finanziell. Fünf Mal musste sie unters Messer. «Die erste Operation hatte ich nur neun Tage nach meiner Geburt, weil ich nicht richtig atmen konnte.»

Später litt sie unter heftigen Krampfanfällen. Bis zu ihrem zwölften Lebensjahr musste sie deswegen starke Medikamente nehmen. Diese zeigten Wirkung: «Heute sind die Krämpfe verschwunden», sagt sie. Nicht nur das: Ana kann inzwischen sogar problemlos Geige spielen! «Ich bin eine glückliche, junge Frau.»

«Ihre Aussage ist kaputt, Herr Gesundheitsminister!» 

Das Interesse an Anas Schicksal ist gross – auch dank den Berichten über Zika. Diese Situation will die junge Frau nutzen, um Vorurteile gegenüber den Betroffenen abzubauen.

Doch auch mit Kritik hält sie nicht zurück. Vor allem Brasiliens Gesundheitsminister Jose Gomes Temporao muss einstecken. Dieser sprach vor den Medien von einer «kaputten Generation» – und meinte damit die rund 5000 Kinder, die seit Oktober mit Mikrozephalie auf die Welt gekommen sind.

Dazu sagt sie: «Nicht die Generation, sondern Ihre Aussage ist kaputt, Herr Gesundheitsminister!» 

Die Journalistin ärgert sich auch über jene Aktivisten, die sich für eine straffreie Abtreibung bei Mikrozephalie stark machen. «Abtreibungen können nicht die Lösung sein.» Besser sei es, den Betroffenen den Zugang zu medizinischer Hilfe zu erleichtern. 

Schwangere, die dennoch abtreiben, will sie aber nicht verurteilen: «Ich bin mir bewusst, dass nicht jedes Baby mit Mikrozephalie überlebensfähig ist», sagt sie. Trotzdem sei es ratsam, keine übereilten Entscheidungen zu treffen.

«Mikrozephalie ist zwar ein scheusslicher Begriff, aber kein böses Monster.» (vsc)

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