Oberster Datenschützer kritisiert Fluggesetz
Die Datenkrake fliegt mit

Airlines sollen Passagierdaten sechs Monate lang speichern – und sie auf Wunsch den Strafverfolgern aushändigen. Das stösst auf Kritik.
Publiziert: 07.05.2017 um 13:25 Uhr
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Aktualisiert: 12.10.2018 um 16:05 Uhr
Wer mit wem wohin? Sicherheitsbehörden sollen Reisedaten abfragen dürfen.
Foto: Keystone
Roland Gamp

Die «Teilrevision 1+ des Luftfahrtgesetzes» stiess bisher auf wenig Interesse. «Ich bin froh, dass zumindest einige Personen im Saal sind», sagte Thomas Hurter (SVP, 53), als der Na­tionalrat im Dezember über die Vorlage debattierte. Entsprechend wenige Anpassungswünsche gab es zum Entwurf des Bundesrats. Auch der Artikel 21f rutschte fast unverändert durch. Obwohl er jeden einzelnen Flugpassagier betrifft.

Airlines sollen künftig die Daten aller Reisenden sechs Monate lang speichern – vom Namen über die Zahlungsmethode bis hin zu den Mitreisenden – und die Angaben bei Bedarf an Strafverfolgungsbehörden weitergeben.

«Im Einzelfall kann diese Neuerung sinnvoll sein, um die Sicherheit zu verbessern», sagt IT-Anwalt Martin Steiger (39) von der Digitalen Gesellschaft. «Allerdings ist der neue Artikel viel zu offen formuliert. Und könnte so zu einer präventiven Massenüberwachung führen.»

Die Daten werden auf Verlangen herausgegeben

Nirgends ist definiert, welche Behörden Anspruch auf die Passagierlisten haben. Sie erhalten sie sogar, um Verbrechen zu verhindern, bereits präventiv. Ein richterlicher Beschluss ist nicht nötig. Die Daten werden einfach «auf Verlangen» herausgegeben. Offen bleibt zudem, bei welchen Delikten.

Laut Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) ist kein automatischer Datenaustausch vorgesehen – und Massenüberwachung somit unmöglich. «Schon rein aus Ressourcengründen ist davon auszugehen, dass die Strafverfolgungsbehörden nur bei konkreten Anhaltspunkten Passagierlisten verlangen werden», sagt Sprecherin Nicole Räz (28).

Unverhältnismässig: Adrian Lobsiger über die präventive Herausgabe der Passagierdaten.
Foto: Peter Mosimann

Auf einen Deliktkatalog habe man verzichtet, «um den Geltungsbereich der Bestimmung möglichst weit zu fassen». Laut Räz hat das Bazl für den Gesetzesentwurf extra den Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten Adrian Lobsiger (57) einbezogen.

Der allerdings meldete Bedenken an. «In seiner Stellungnahme zur fraglichen Bestimmung teilte er dem Bundesamt für Zivilluftfahrt mit, dass es unverhältnismässig wäre, wenn die Strafverfolgungsbehörden für sämtliche strafbaren Handlungen ganze Passagierlisten herausverlangen könnten», sagt Sprecher Francis Meier (36).

Der Datenschutzbeauftragte habe gefordert, die Herausgabe auf schwerwiegende strafbare Handlungen zu beschränken. «Unsere Bemerkungen», so Meier, «wurden jedoch nicht berücksichtigt.»

Schutz der Passagierdaten steht für Swiss an oberster Stelle

In der kommenden Sommersession soll das Parlament über den Entwurf abstimmen. Mit der jetzigen Formulierung darf das Gesetz aber laut Nationalrat Balthasar Glättli (45, Grüne) nicht durchkommen. «Wenn kein entsprechender Antrag aus der Kommis­sion kommt, werde ich einen Einzelantrag stellen.»

Damit will Glättli erreichen, dass zumindest die gleichen Regeln gelten wie bei der Vorratsdatenspeicherung bei Telefonaten und im Internet. «Es kann nicht sein, dass die Strafverfolgungsbehörden künftig ohne jeden richterlichen Entscheid auf die Passagierdaten zugreifen können», sagt der Nationalrat.

«Es kann nicht sein, dass die Strafverfolgungsbehörden künftig ohne jeden richterlichen Entscheid auf die Passagierdaten zugreifen können», sagt der Nationalrat Balthasar Glättli (45, Grüne).
Foto: Keystone

Die Swiss als betroffene Airline analysiert derzeit, ob für die Datenspeicherung technische Neuerungen nötig wären. Unternehmenssprecher Stefan Vasic: «Der Schutz der Passagierdaten steht für Swiss an oberster Stelle, weshalb wir diese nur an Behörden herausgeben, wenn hierfür eine rechtliche Grundlage besteht.»

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